Der Innviertler Georg Hamminger wurde beschuldigt, von 1944 bis 1947 elf Menschen erschossen zu haben. Unter den Mordopfern befanden sich Gendarmen und Nazi-Funktionäre. Hamminger ging als „Serienmörder vom Kobernaußerwald“ in die Kriminalgeschichte ein.
Ein pensionierter Staatsanwalt fuhr am 24. März 1947 mit der Eisenbahn von Bad Ischl nach Salzburg. Im Waggon saß ein Mann, den der Jurist von einer Gerichtsverhandlung in Ried im Innkreis in Erinnerung hatte. Der Mitreisende war ein gefährlicher Gewalttäter und wurde wegen mehrfachen Mordes und anderer Verbrechen gesucht. Der Staatsanwalt wusste, dass er sich auf der Flucht befand. Im Bahnhof St. Gilgen wurde der Gesuchte aus dem Zug gelockt und von der Gendarmerie überwältigt. Er hatte eine Pistole bei sich; im Magazin befanden sich elf Patronen. Bei dem Festgenommenen handelte es sich um Georg Hamminger. Er wurde in das Landesgerichtliche Gefangenenhaus Salzburg eingeliefert. Hamminger hatte die Bevölkerung des Innviertels in Oberösterreich drei Jahre lang mit Morden, Brandstiftungen und anderen Verbrechen in Angst und Schrecken versetzt. Ihm wurden elf Morde angelastet.
Georg Hamminger, geboren am 8. April 1915 in Offenschwandt in der Marktgemeinde Aspach im Bezirk Braunau am Inn, wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und hatte nur eine geringe Schulbildung. Schon in jungen Jahren wurde er wegen Wilderei, Eigentumsdelikten und anderen Straftaten zu Gefängnisstrafen verurteilt. Am 27. April 1944 gelang es ihm, aus dem Zuchthaus Ried im Innkreis zu flüchten.
Kurz darauf begann Georg Hamminger einen blutigen Rachefeldzug gegen Gendarmeriebeamte, Nazi-Funktionäre und andere Personen. Am 4. Mai 1944 drang er um drei Uhr früh in ein Haus in Oberweinberg ein und erschoss Georg und Anna Mitterbauer. Georg Mitterbauer hatte Hamminger einige Jahre zuvor wegen eines Diebstahls von Zwetschken angezeigt. Wenige Stunden später ermordete Hamminger in Oberweinberg das Landwirtsehepaar Alois und Anna Niederklapfer. Auch hier war das Tatmotiv Rache: Alois Niederklapfer soll Hammingers Eltern wegen einer geringfügigen Straftat angezeigt haben. Am selben Tag verübte Hamminger zwei weitere Morde. Er erschoss zwei volksdeutsche Flüchtlinge aus dem Westbanat.
Heimtückische Gendarmenmorde. Am 25. Juli 1944, um drei Uhr früh, zerschlug ein Einbrecher im Wohnhaus der „Schneiterin“ in der Ortschaft Höcken bei Schneegattern mehrere Fensterscheiben, drang in das Gebäude ein, suchte nach Beute und verschwand wieder. Johann Traxler, Kommandant des Gendarmeriepostens Friedburg-Lengau und Ortsgruppenführer der NSDAP, fuhr mit seinem Dienstmotorrad nach Höcken, um den Einbruch aufzunehmen. Bei der Rückfahrt nach Friedburg gegen halb zwölf Uhr blieb der 53-jährige Postenkommandant mit seinem Motorrad im sogenannten „Scherrhölzl“ stehen, weil ein Baumstamm quer auf dem Forstweg lag. Als Traxler begann, den Baum wegzuzerren, fielen Schüsse. Der Gendarm wurde in den Rücken getroffen und erlitt tödliche Schussverletzungen. Er hinterließ seine Frau und eine Tochter. Die Projektile stammten aus einem Gewehr, Kaliber 8 Millimeter. Als Täter dringend verdächtigt wurde Georg Hamminger. Das Reichskriminalpolizeiamt setzte eine Belohnung von 5.000 Reichsmark (nach heutiger Kaufkraft knapp 33.000 Euro) für Hinweise aus, die zur Festnahme des Mörders führen. In einem Steckbrief der NS-Kriminalpolizei wurde der Gesuchte mit folgenden Merkmalen beschrieben: 170 cm groß, untersetzt, dunkelblonde Haare, längliches Gesicht, blaue Augen und breites Kinn, spricht „Oberdonauer Dialekt“. Er habe ein Gewehr bei sich, sei „sehr gefährlich“ und werde wegen mehrerer Morde, Brandstiftungen und Einbrüchen gesucht.
Gendarmeriemeister Karl Hammerschmied vom Gendarmerieposten Maria Schmolln im Kreis Braunau am Inn war das nächste Opfer. Am 24. August 1944 erschoss Georg Hamminger, der sich im Kobernaußerwald versteckt hielt, den Gendarmen vor dessen Wohnhaus in Maria Schmolln. Die Belohnung für Hinweise auf die Ergreifung des Täters wurde nach dem zweiten Gendarmenmord auf 10.000 Reichsmark (66.000 Euro) erhöht.
Brandstiftungen. Am 11. September 1944 brannte das Anwesen des Landwirts und NSDAP-Ortsgruppenleiters Friedrich Achleitner vulgo Müller vorm Holz nieder. Am 30. November 1944, gegen 22 Uhr, wurde der Gendarmeriebeamte Heinrich Leitner in seinem Heimatort Mattighofen aus dem Hinterhalt mit einem Schrotgewehr beschossen, als er vom Dienst heimgekehrt sein Wohnhaus in der Salzburger Straße betreten wollte. Leitner war Kommandant des Gendarmeriepostens Mattighofen. Er wurde am linken Unterarm und im Bauch getroffen und überlebte schwer verletzt. Der Täter flüchtete und ließ einen Blechkanister zurück, in dem sich noch fast fünf Liter Benzin befanden. Der Täter wollte vermutlich das Wohnhaus Leitners anzünden.
Eine Stunde später brannten in der Gemeinde Schalchen das Wohnhaus des Gemeindesekretärs Stefan Staffl sowie der Stall und die Scheune des Landwirts und Bürgermeisters Georg Fellner in Unterlochen. Die Scheune brannte bis auf die Grundmauern nieder. Das Wohnhaus Fellners konnte früh gelöscht werden, weil die Feuerwehrmänner aus Furth auf der Einsatzfahrt zum brennenden Wohnhaus des Gemeindesekretärs Staffl das Feuer beim Anwesen des Bürgermeisters sahen, stehen blieben und den Brand rasch löschten. Der Bürgermeister und seine Familienangehörigen schliefen und wurden von den Feuerwehrmännern aus dem Haus gerettet. Als Brandstifter in allen Fällen kam für die Gendarmen nur Georg Hamminger in Frage. Die Ergreiferprämie wurde nun auf 20.000 Reichsmark (132.000 Euro) hinaufgesetzt.
Das Morden ging weiter. Am 15. März 1945, um 22:50 Uhr, lockte ein Mann in Oberweinberg den Landwirt und NS-Blockwart Josef Mühlbacher aus dem Haus. Als der Bauer die Haustür öffnete, schoss der Unbekannte mit einem Militärgewehr auf ihn. Das Opfer erlag noch am Tatort seinen Schussverletzungen.
Am nächsten Tag wurde in Friedburg der pensionierte Gendarmeriebedienstete Alois Hinterleitner kurz nach 20 Uhr von einem Mann vor das Haus gerufen. Als Hinterleitner vor die Haustür trat, schoss der Mann mehrmals auf ihn. Wenige Minuten später war der Gendarm tot. Als Mörder wurde wiederum Hamminger verdächtigt. Er galt auch als dringend Tatverdächtiger eines Mordes an einem Bürgermeister im Innkreis.
Das Ende des Serienmörders. Drei Tage vor seiner Verhaftung legte Georg Hamminger am 21. März 1947 in der Ortschaft Kühberg in der Gemeinde Burgkirchen einen Holzbalken über die Straße. Ein Jeep-Lenker und der Braunauer Bezirkshauptmann Franz Plasser mussten deshalb gegen Mitternacht ihre Autos anhalten. Als die Männer den Balken auf die Seite schleppten und ihre Fahrt fortsetzen wollten, wurden sie beschossen. Die beiden Autolenker konnten unverletzt flüchten. Patronenhülsen am Tatort stammten aus Hammingers Waffe, die bei seiner Verhaftung sichergestellt wurde.
Georg Hamminger wurde nach seiner Festnahme in das landesgerichtliche Gefangenenhaus Salzburg gebracht, wo er mehrmals versuchte, sich umzubringen. Am 10. Juni 1947 wurde er nach Ried im Innkreis überstellt. Dort schlug er auf einen Justizwachebeamten ein. Deshalb wurden ihm Schließketten angelegt. Hamminger gelang es, die Fesseln abzustreifen. Am 24. Juni 1947 erhängte er sich mit einer Verbandsbinde in seiner Zelle.
Quellen/Literatur:
Schiller, Christian; Schiller, Silvana: Georg Hamminger. Ein Mörder und seine Zeit. Edition Geschichte der Heimat, 1993
Mord an einem Gendarmeriebeamten. In: Oberdonau-Zeitung, 30.7.1944, S. 4
Staatsanwalt erkannte einen vielfachen Mörder. In: Die Weltpresse, 28. März 1947, S. 5
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