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Gepäckdiebe im Visier

  • Rosemarie Pexa
  • vor 5 Stunden
  • 5 Min. Lesezeit

Revierinspektor Manuel Ben Mohamed ist Kriminalist des Jahres 2025 in der Kategorie Newcomer.


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Die Liste der Taschen- und Gepäcksdiebe, die Revierinspektor Manuel Ben Mohamed bereits überführt hat, ist lang – und das nach nur sechs Jahren im Polizeidienst. Für seine außergewöhnliche Leistung wurde er bei der Ehrung zum Kriminalisten des Jahres 2025 mit dem Newcomer-Award ausgezeichnet.

Schon als Kind wollte Ben Mohamed Polizist werden, was unter anderem an seiner Faszination für Uniformen lag. Besonders in Erinnerung geblieben sind ihm die Polizisten, die in seiner Volksschule Unterrichtsstunden in Verkehrserziehung abhielten, und Krimiserien im Fernsehen. Dass er selbst einen Polizisten in der Verwandtschaft hat, erfuhr er erst später bei einer Reise nach Tunesien, dem Geburtsland seines Vaters.

 

In Uniform. Seine erste eigene Uniform erhielt Ben Mohamed, als er nach der Matura zum Grundwehrdienst einrückte. Während seiner Zeit beim Bundesheer absolvierte er die Ausbildung zum Rettungssanitäter beim Roten Kreuz. Er war sieben Jahre lang als ehrenamtlicher Sanitäter und in der Rettungsleitstelle des Notrufs Niederösterreich tätig. Im Zuge von Rettungseinsätzen bot sich ihm die Gelegenheit, näher mit Polizisten in Kontakt zu kommen.

Anschließend an das Bundesheer erfüllte sich Ben Mohamed seinen Kindheitstraum und bewarb sich 2019 erfolgreich bei der Wiener Polizei. Nach der Grundausbildung in der Marokkanerkaserne wurde er am 1. Mai 2021 zur viermonatigen Praxisphase als Aspirant der Polizeiinspektion Am Hauptbahnhof zugeteilt, wo er bis 2025 seinen Dienst versah. Die hohe Anzahl an Diebstahlsdelikten hinterließ bei ihm einen bleibenden Eindruck. „Oft ist alle zehn Minuten jemand in die PI gekommen, um einen Diebstahl anzuzeigen“, erzählt Ben Mohamed.

 

Schließfachdiebe. Er nahm die Taschen- und Gepäcksdiebe, die im Bereich des Hauptbahnhofs ihr Unwesen trieben, ins Visier, und konnte schon bald beachtliche Erfolge verbuchen. Etwa im folgenden Fall: Eine ältere Frau zeigte den Diebstahl ihres Reisekoffers mit Gemälden im Wert von rund 10.000 Euro an. Sie hatte den Koffer in einem Bahnhofs-Schließfach deponiert. Als sie ihn wieder abholen wollte, war das Schließfach leer. Es stellte sich heraus, dass sie beim Verschießen einen Fehler gemacht hatte, wodurch das Fach nicht versperrt war.

Solche Fehlbedienungen kamen bei diesen Schließfächern häufiger vor – ein Umstand, den Diebe kannten und ausnutzten. Wer den Reisekoffer mit dem wertvollen Inhalt entwendet hatte, fand Ben Mohamed am folgenden Tag bei der Sichtung eines Überwachungsvideos der ÖBB heraus. Es zeigte, wie ein Mann und eine Frau den Koffer aus dem Schließfach nahmen. Bei einer Streife im Bahnhofsgebäude erkannte Ben Mohamed das Diebspärchen, das daraufhin zur Vernehmung auf die PI gebracht wurde. Der Mann gab an, er habe geglaubt, der Rucksack gehöre der Frau, wurde jedoch durch die Aussagen seiner Mittäterin belas­tet.

 

Suchtgift-Milieu. Auch nachdem Ben Mohamed 2022 der Bereitschaftseinheit Wien zugeteilt wurde, legte er sein Hauptaugenmerk so weit wie möglich auf Taschen- und Gepäcksdiebstähle. So erkannte er bei einer Streife der Bereitschaftseinheit einen Mann mit aufrechter Festnahmeanordnung am Hauptbahnhof wieder. Der Verdächtige wurde festgenommen, Diebsgut und Suchtgift, das er in Schließfächern am Bahnhof deponiert hatte, wurden sichergestellt.

„Die meisten Schließfachdiebe stammen aus dem Suchtgift-Milieu. Das sind keine Profis, sondern oft Obdachlose, die sich am Bahnhofsvorplatz aufhalten. Manche stehlen nur einmal, wenn sich gerade eine günstige Gelegenheit ergibt, andere immer wieder“, erklärt Ben Mohamed.

Einen Schwerpunkt setzt die Polizeiinspektion Am Hauptbahnhof dann, wenn es zu einer Serie an Schließfachdiebstählen kommt. Die ÖBB führt als Präventivmaßnahme Schließfachkontrollen durch, der Inhalt nicht versperrter Schließfächer wird beim Lost &  Found Fundbüro am Bahnhof abgegeben.

 

PI-Ermittler. Im April 2023 wurde Ben Mohamed wieder der PI Am Hauptbahnhof zugeteilt. Angesichts seiner bisherigen Erfolge und seines Interesses am Ausforschen von Dieben konnte er als PI-Ermittler in den Kriminaldienst wechseln, ebenfalls in der PI Am Hauptbahnhof. In dieser Funktion spezialisierte er sich weiter auf das Deliktphänomen Taschen- und Gepäcksdiebstähle. Er identifizierte mehrere Täter, die in der Folge festgenommen wurden.

Dabei kam ihm sein ausgezeichnetes Gedächtnis für Gesichter zugute. Auf die Frage, ob er sich damit als sogenannter Super Recognizer eignen würde, deren Einsatz bei der österreichischen Polizei aktuell diskutiert wird, reagiert er bescheiden. Er könne sich Gesichter einfach gut merken. Sein Tipp für die Identifizierung von Verdächtigen: „Augen und Ohren sind unveränderlich. Wer sich an ihnen orientiert, erkennt jemanden auch mit Bart oder FFP-Maske wieder.“

 

Gepäcksdieb. Mit Hilfe eines Super Recognizers bei der deutschen Polizei ließ sich die Identität eines Gepäcksdiebs nordafrikanischer Herkunft feststellen. Dieser trieb bis Ende 2023 am Hauptbahnhof sein Unwesen, konnte aber nicht gefasst werden. Ein Jahr später erkannte Ben Mohamed den Mann auf einem Fahndungsfoto wieder – diesmal wurde er wegen Diebstahls von Gepäckstücken in Wiener Lokalen und Hotels gesucht. „Ich habe sein Foto international ausgeschickt und von einem Kollegen aus Frankfurt am Main eine Rückmeldung bekommen“, schildert Ben Mohamed. Der deutsche Polizist hatte gegen den Täter ermittelt – zehn Jahre davor.

Ein Kollege von der LKA-Außenstelle West erkannte den Dieb im Juli 2025 zufällig auf der Straße und nahm gemeinsam mit zur Unterstützung gerufenen uniformierten Polizisten des SPK 20 die Verfolgung auf. Sie holten den Flüchtenden nach mehreren hundert Metern ein und nahmen ihn fest. Ihm konnten 15 Fakten zugeordnet werden, die Schadenssumme belief sich auf rund 120.000 Euro. Auch in Deutschland und Frankreich war er bereits wegen Diebstählen in Erscheinung getreten.

Deutschland. Aufgrund seiner außergewöhnlichen Leistungen erhielt Ben Mohamed die Möglichkeit, bei der Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland erste Auslandserfahrungen zu sammeln. Er begleitete deutsche Taschendiebfahnder auf Streife, konnte Ermittlungserfolge verbuchen und wertvolle Kontakte knüpfen. Gemeinsam mit seinen deutschen Kollegen ertappte er in Leipzig zwei Gepäcksdiebe auf frischer Tat. Die beiden hatten in mehreren Lokalen versucht, Taschen zu stehlen. Gegen einen der Täter konnte eine Festnahmeanordnung erwirkt werden, der andere wurde auf freiem Fuß angezeigt.

Diese Tatsache nutzte der Täter, um Deutschland zu verlassen und seine Diebestour in Österreich fortzusetzen. Ben Mohamed, mittlerweile aus dem Auslandseinsatz zurückgekehrt, erkannte den ein paar Wochen zuvor in Leipzig festgenommenen Dieb auf Fahndungsfotos der Wiener Polizei wieder. Er nahm die Ermittlungen auf und fand heraus, dass der Täter gemeinsam mit zwei weiteren Personen agierte – vorwiegend am Wiener Hauptbahnhof und in dessen Umgebung. Das Trio hatte unter anderem Gepäckstücke in der Lobby von Hotels in Bahnhofsnähe entwendet. Die Gesamtschadenssumme betrug über 22.000 Euro.

In Zusammenarbeit mit seinen deutschen Kollegen gelang es Ben Mohamed, auch die Identität der bislang unbekannten Mittäter festzustellen. Zu dritt hatten sie in Deutschland ebenfalls mehrere Vermögensdelikte begangen. Gegen zwei der drei Täter bestand bereits ein Europäischer Haftbefehl wegen bandenmäßigen Diebstahls, Raubs und Sachbeschädigung. Für den dritten erwirkte Ben Mohamed über die Staatsanwaltschaft Wien eine Festnahmeanordnung.

 

Auf Schiene. Eine Serie von Taschendiebstählen in der U-Bahn sorgte im Juli 2025 für mehrere Anzeigen, darunter die eines älteren Mannes, dem in der U1 seine Geldbörse gestohlen worden war. Wertvolle Hinweise auf die Täter lieferten Überwachungsvideos der Wiener Linien. Die Täter, alle südamerikanischer Herkunft, schlugen bevorzugt auf der Strecke zwischen Stephansplatz und Reumannplatz zu, jeweils in der Zeit von 12 bis 13 sowie von 19 bis 20 Uhr.

Ben Mohamed und seine Kollegen von der PI Am Hauptbahnhof und dem SPK Meidling überwachten die von den Tätern frequentierte Strecke. „Jeweils zwei von uns haben sich in den Stationen zwischen Stephansplatz und Reumannplatz postiert. Die Diebe sind am Karlsplatz in die U-Bahn eingestiegen und in Richtung Leopoldau gefahren“, schildert Ben Mohamed. Die Ermittler nahmen die Verfolgung auf und konnten die Täter am Schwedenplatz anhalten. Ihnen wurden zehn Diebstähle mit einer Schadenssumme von über 8.000 Euro nachgewiesen; zum Teil hatten sie mit gestohlenen Bankomatkarten Geld behoben.

Auch die Züge der ÖBB wurden von einem Seriendieb heimgesucht, den Ben Mohamed als Täter identifizieren konnte. Der Täter wurde nach Diebstählen auf der Westbahnstrecke festgenommen und zu einer teilbedingten Haftstrafe verurteilt. Eine Woche nach seiner bedingten Entlassung aus der Justizanstalt ging er erneut auf der Weststrecke auf Diebestour. Er wurde sofort identifiziert und einige Wochen später am Hauptbahnhof festgenommen, nachdem für ihn bereits ein europäischer Haftbefehl erwirkt werden konnte. Die Schadensumme beläuft sich auf mehr als 20.000 Euro.

 

Pläne. Ob er sich in Zukunft weiterhin auf Ermittlungen gegen Taschen- und Gepäcksdiebe konzentrieren wird, steht für Ben Mohamed, der derzeit den Chargenkurs absolviert, noch nicht fest. Ein mögliches Betätigungsfeld sieht er bei der Arge Taschendiebstahl, die Arge Maghreb der LKA-Außenstelle West wäre für ihn ebenfalls eine interessante Option. „Ich bin auch für andere Themen sehr offen“, so Ben Mohamed.










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