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Kripo – quo vadis?

Ernst Vitek

Im Jahr 2005 wurde in Österreich der letzte

Kriminalbeamtenkurs für die Exekutive abgehalten. Seither verlässt mach sich darauf, dass diejenigen, die kriminalpolizeiliche Arbeit verrichten, die dafür erforderlichen Fähigkeiten größtenteils in Form von „learning by doing“ erwerben.

 


Die Fachhochschule der Exekutive ist eine Baustelle geblieben.
Die Fachhochschule der Exekutive ist eine Baustelle geblieben.

Es existiert ein Vakuum an Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten für einen wichtigen Bereich der Polizeiarbeit in Zeiten von Cybercrime, immer mehr Korruption in Wirtschaft und Politik, zunehmenden Gewaltdelikten, einer steigenden Eigentumskriminalität, einem professionell organisierten Spektrum von Sexualstraftaten und immer mehr vernetzter weltweiter Kriminalität in allen Ausprägungen. Dazu kommt eine auf der ganzen Welt feststellbare Migrationswelle aufgrund von Kriegen, Klimaveränderung und wirtschaftlichen Problemen in vielen Ländern.

Religiöse und weltanschauliche Strömungen und Besonderheiten verschärfen die gesellschaftlichen Spannungen, führen zur Spaltung der Gesellschaft und treiben viele Keile zwischen verschiedene Gruppen der Bevölkerung. Nachdem die Bildung durch die Politik wenig gewichtet wird, verlassen immer mehr Jugendliche die Schulen ohne ausreichende Grundkenntnisse des sinnverstehenden Lesens, Schreibens und Rechnens. Aus Statistiken geht hervor, dass 8 % der 15- bis 24-Jährigen sich weder in Ausbildung oder in einer Weiterbildung befinden, noch eine Beschäftigung vorweisen können. 29 % der Erwachsenen in Österreich sind funktionelle Analphabeten.

 

Was wird sich daraus entwickeln? Die zu befürchtende Auswirkung ist ein Ansteigen der Gewaltkriminalität, da Außenseiter der Gesellschaft oft keine andere Wahl haben, als sich kriminell zu betätigen, um ihren Alltag zu bestreiten und genügend Ressourcen zur Verfügung zu haben, um zu überleben. Noch dazu wird von solchen Menschen ein Zustand der Hilfslosigkeit wahrgenommen. In vielen Fällen erfolgt daraus implizit Gewalt, die gegen Wehrlose, Unbeteiligte oder nahestehende Personen ausgeübt wird. Gewalt ist ein probates Ventil, wenn die sozialen Missstände zunehmen und keine adäquaten Lösungsmittel bzw. Möglichkeiten zur Verfügung stehen.

Richtet man seinen Blick in frühere Jahrhunderte, kann man bei der Beschäftigung mit deren Geschichte erkennen, welche Zustände in einer Gesellschaft herrschen, wenn wichtige legale Existenzgrundlagen fehlen, um ein gutes, angenehmes und einigermaßen erfülltes Leben zu führen.

Die kriminalpolizeiliche Arbeit ist in Österreich oft durch gesetzliche Bestimmungen eingeschränkt, die Straftätern enorme Vorteile verschafft, um ihr Unwesen teilweise unbehindert fortzuführen und auszudehnen.

 

Recht und Ordnung. Obwohl das Ansehen der Polizei bei der Bevölkerung in Österreich noch groß ist, bemerken immer mehr Menschen hier, dass etwas getan werden sollte, damit wirklich wieder Recht und Ordnung im Land herrscht. So wie die Politik nunmehr artikuliert hat, dass es kein „Weiter wie bisher“ geben darf, sollte das auch auf die polizeiliche, insbesondere die kriminalpolizeiliche Arbeit zutreffen.

Es nützt nichts, wenn man die Augen vor den gegebenen Zuständen verschließt, nach dem Prinzip: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“. So wie in vielen anderen Bereichen des Staates, wie der Bildung, der sozialen Einrichtungen und der Beachtung einer gerechten Verteilung der Ressourcen und des Vermögens, wird die polizeiliche Arbeit, insbesondere im kriminalpolizeilichen Bereich großteils ausgehungert. Es beginnt schon bei der Personalauswahl beim Eintritt in die Polizei. In den letzten Jahren wurde der Level für die Aufnahme in die Polizei immer mehr herabgesetzt, da man ansonsten nicht genügend Bewerber für diese Arbeit gefunden hätte.

Noch sehr gut ist in Erinnerung, wie in den 1970er-Jahren der Bedarf an Bewerbern für den Exekutivdienst so groß war, dass manche Anwärter aufgenommen wurden, denen viele Grundkenntnisse, welche in einer staatlichen Schulausbildung vermittelt werden, gefehlt haben. Manche dieser Anwärter mussten das fehlende Wissen und die fehlenden Fähigkeiten mühsam erwerben bzw. mussten sie von Vorgesetzten dazu angeleitet werden, da sie ansonsten nicht in der Lage gewesen wären, ihre Aufgaben als Exekutivbeamte ausreichend zu erfüllen. Das waren die 1970er-Jahre und damals waren die Herausforderungen für die Exekutive noch weitaus geringer als sie jetzt im fortgeschrittenen dritten Jahrtausend gegeben sind.

 

„Mistelbacher“. Die Älteren unter uns werden sich noch erinnern, als in früheren Zeiten über die so genannten „Mistelbacher“ bei der Exekutive gespottet wurde. Damit wollte man in der Bevölkerung artikulieren, dass Menschen in der Exekutive über ein eher geringes Niveau verfügten und quasi hier Unterschlupf gefunden hatten, weil es in der Privatwirtschaft schwierig gewesen wäre, sich zu etablieren.

Nunmehr hat sich polizeiliche Arbeit zu einer hochkomplexen, herausfordernden und fachlich fundierten Tätigkeit entwickelt. Die Rechtsinstrumentarien unseres Staates wurden immer komplizierter, umfassender und verflochtener. Die Polizei arbeitet mit universitär gebildeten, umfassend ausgebildeten und erfahrenen Staatsanwälten und Richtern zusammen, deren Aufgabengebiet in den letzten Jahrzehnten nicht nur an Umfang zugenommen hat, sondern auch an Komplexität. Dazu kommt, dass sich die Maßnahmen des Rechtsschutzes für Straftäter umfassend, teilweise überbordend und weitläufig darstellen.

Große gerichtliche Verfahren ziehen sich über Jahre, bis sie zu einem Abschluss kommen können. Teilweise werden sie durch Instrumentarien des gesetzlichen Schutzes von Straftätern verschleppt und können nicht zu Ende geführt werden.

 

Die Politik hat es nicht geschafft, die Gewaltentrennung zu stärken, sodass eine Einmischung von politischen Vertretern in gerichtliche Verfahren noch immer möglich ist. Dies scheint auch zum Teil beabsichtigt zu sein, um die gerichtliche Verfolgung von gewissen politischen Repräsentanten zu behindern bzw. hintan zu halten. Damit ist es diesen weiterhin möglich, ihre Ämter in ihrem Sinn und gemäß den Interessen ihrer Parteien auszuüben. Wenn politische Vertreter, obwohl gegen sie komplexe und umfangreiche gerichtliche Ermittlungen laufen, zu Wahlen antreten dürfen, ist die Integrität des Staates auf das Höchste gefährdet. Ein Großteil der Bevölkerung hat diesbezüglich scheinbar leider bereits resigniert, mit dem Hinweis, dass ohnehin alle politisch tätigen Menschen gleich sind und sich nur wenig um gültige Gesetze kümmern müssen. 

Was ist daraus zu schließen? Die kriminalpolizeiliche Arbeit sollte sich noch mehr professionalisieren. Es genügt nicht, dass einzelne Beamte bzw. Beamtinnen sich in diesem Bereich engagieren und motiviert sind. Dafür ist es auch notwendig, dass diese Menschen entsprechend angeregt werden, mit vollem Einsatz für den Staat und das Rechtssystem zu arbeiten.

 

Einstufung anheben. Um dies zu erreichen, wäre der Status der kriminalpolizeilichen und überhaupt der polizeilichen Arbeit anzuheben. Die derzeitige Einstufung in den Exekutivschemen ist wenig zufriedenstellend und entspricht längst nicht mehr den geforderten und erbrachten Leistungen.

Blickt man nach Deutschland, haben dort Exekutivbeamte eine wesentlich längere Grundausbildung auf mit Österreich vergleichbarem Fachhochschulniveau. Sie beginnen ihre berufliche Laufbahn als Kommissare, was sich durchaus mit Offizieren unserer Polizei vergleichen lässt. Schließlich bezieht in Österreich jeder A2-Beamte ein höheres Grundgehalt als ein Exekutivbeamter in den Einstufungen E2b und E2a. Vielfach sind Exekutivbeamte veranlasst, um mehr aus ihrer beruflichen Tätigkeit zu lukrieren,  zusätzlich Mehrdienstleistungen zu erbringen. Das trägt sicherlich nicht zu einer hohen Motivation und Einsatzbereitschaft bei und ist auf die Dauer, von der physischen und psychischen Belas­tung her, nicht verkraftbar.

 

Polizeiakademie. Anfang des 21. Jahrhunderts waren in der österreichischen Exekutive zahlreiche Arbeitsgruppen eingerichtet, deren Aufgabe es sein sollte, eine Fachhochschule der Exekutive vorzubereiten. Leider ist dieses Vorhaben an dem damaligen Innenminister gescheitert, der sich diesen Bestrebungen entgegenstellte. Ein bereits fertig ausgestattetes und bestens eingerichtetes Gebäude in der Stadt Traiskirchen für diesen Zweck wurde vorerst ein Jahr lang nicht bezogen. Danach wurde dieses dann nicht dem eigentlichen Zweck zugeführt.

Die Tätigkeit von Exekutivbeamten lässt sich vom Niveau der gestellten Aufgaben und Herausforderungen sicherlich mit der von Lehrern, Staatsanwälten und Richtern sowie Anwälten vergleichen und sollte daher auf dem gleichen Level eingestuft werden. Bisher hat man eine solche fachliche und dienstrechtliche Aufwertung der polizeilichen Arbeit aus diversen Gründen vermieden. Diese bezogen sich entweder auf damit verbundene Kosten bzw. auf die geringe Bereitschaft, der Exekutive den Status zuzuweisen, den sie in der Gesellschaft tatsächlich aufweisen sollte. Die Verantwortlichen sollten sich dessen endlich bewusst werden, da die Zeit der als „Mistelbacher“ verspotteten Exekutivbeamten längst vorbei ist. Ansonsten wird es in Zukunft schwierig sein, geeignete, motivierte und fachlich ausgezeichnete Beamte zu qualifizieren, die sich intensiv der kriminalpolizeilichen Tätigkeit widmen.   








 

 

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