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  • Herbert Windwarder

Ja derfen’s den des?

Die Befugnisse der Staatsmacht, ein ewiger Zankapfel im Zuge der Zeit. Die rasante technische Entwicklung bei der Kommunikation macht das Thema nicht einfacher!

Vor allem der Siegeszug des Handys in fast allen Lebensbereichen zwischen Kommunikation, Navigation und Unterhaltung sorgt für Zündstoff, die durch die Ermittlungen gegen drei mutmaßliche IS-Sympathisanten wieder hochkochten. Sichergestellte Politikerhandys und Router sorgten für manche Schlagzeile, unabhängig vom strafrechtlich relevanten Inhalt. Die jetzige Diskussion über das Thema ist teilweise von Mythen und Unwissenheit getragen. Der „Staatstrojaner“ hat ein Imageproblem, das wenig mit der Realität zu tun hat. Die Mahner warnen vor der totalen Überwachung der Bürger durch den Staat und wer mag schon seinen Browserverlauf in einem Akt wiederfinden?


Richterliche Kontrolle. Natürlich kann eine Überwachung von Kommunikation nur durch eine Anordnung der Justiz stattfinden und für deren Genehmigung müssen ausreichende Verdachtsmomente und ein entsprechend hoher Strafrahmen gegeben sein. Bei Hendldiebstahl gibt’s keine Telefonüberwachung, ganz einfach. All diese Vorgänge unterliegen den internen Kontrollmechanismen der Justiz inklusive des Rechtsschutzbeauftragten. Daran würde sich an einer Überwachung des Datenverkehrs, sprich Messengerdienste wie Whatsapp, Telegram, Viber und allen anderen, auch nichts ändern. Eine Massenüberwachung ist daher kein Thema und rechtlich nicht möglich.


Spuren verwischen. Auf Grund der sichergestellten Politikerhandys hat die Bevölkerung auch ein falsches Bild von den durchschnittlichen Ergebnissen einer Handyauswertung. Professionelle Täter agieren etwas vorsichtiger als Politiker. Sie verwenden selbstlöschende Nachrichten, sie wechseln regelmäßig die Telefonnummern, die Profile und die Handys. Sichergestellte Handys stellen sich teilweise nach kurzer Zeit auf Werkseinstellung oder sie sind mittels Code gesichert, sodass eine Auswertung oft erst nach vielen Monaten und Einsatz einer Spezialsoftware möglich ist. Und auch dann ist die Ausbeute oft mager, da jeder Kriminelle damit rechnet, dass sein Handy Ziel polizeilichen Interesses sein kann.


Selbststeller. Die große Ausnahme der Regel sind die mittlerweile berühmten Kryptohandys. Sie waren der „heiße Scheiß“ der kriminellen Schickeria, wer zum Kreis dazugehören wollte, musste eines haben. Absolute Sicherheit gegen Abhören und Auslesen wurde von den Entwicklern versprochen und das war natürlich ein gutes Argument! Doch auch hier galt irgendwann das 11. Gebot: Du sollst dich nicht täuschen. Die von den Capos selbst gesammelten Beweise gegen sich und ihre Kumpane werden die europäischen Behörden noch länger beschäftigen, gut so. Diese Auswertungen helfen den OK- und Suchtgift-Ermittlern etwas über die schon länger anhaltende Flaute hinweg. Jene Flaute, die durch fehlende Befugnisse bei der Überwachung von Online-Kommunikation entstanden ist.


Überfällige Anpassung! DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner, der mit einem Nachrichtendienst zwischen Offizialprinzip und Amtsmissbrauch sowieso eine schwierige Aufgabe übernommen hat, ist derzeit der einsame Kämpfer für eine längst überfällige Anpassung der Gesetze an die technischen Entwicklungen der letzten Jahre. Nur, in der Koalition hat man offenbar andere Prioritäten, weder aus dem Innen- noch aus dem Justizministerium hört man aufmunternde Signale. Es ist zu befürchten, dass sich in dieser Legislaturperiode nichts mehr tut. Und wer weiß, welche Farben sich nach der nächsten Wahl das Jawort geben und welche Prioritäten es dann im Regierungsprogramm geben wird?


Blinder Fleck. Fakt ist, ohne eine Überwachung der Kommunikation kann weder die Staats- noch die Kriminalpolizei gute Arbeit leisten! Die entstandene Wissenslücke ist erschreckend. Fatal ist nicht nur das Fehlen der Inhalte, sondern auch das Fehlen der Kontakte. Wir können heute nicht sagen, wer mit wem spricht, oder wie intensiv der Kontakt ist. Dadurch gibt es auch kaum Informationen über die Zusammensetzung von OK-Gruppierungen oder Suchtgifthändlerringen. Eine Observation kann nur an der Oberfläche kratzen, interne Machtverhältnisse lassen sich so nicht aufklären.


Gutes Angebot? Welche Möglichkeiten haben OK-Ermittler noch? Der Einsatz von Vertrauenspersonen wurde in den letzten Jahren nicht einfacher. VPs können zur Hauptverhandlung geladen werden, wo sie gegen ihre „Freunde“ aussagen sollen. Auch andere interne Vorgaben haben den Einsatz für die Kriminalisten nicht gerade vereinfacht und die Bezahlung wurde seit Jahren nicht angepasst, obwohl sich das Risiko erhöht hat. Auch hier gibt es Nachholbedarf im legistischen Bereich, zum Beispiel in Form einer „kleinen Kronzeugenregelung“. Wenn eine VP durch die Weitergabe ihres internen Wissens der Polizei und der Jus­tiz gezieltere Ermittlungen ermöglicht hat, dann muss das entsprechend vom Staat honoriert werden. Und dafür braucht es klare Bestimmungen! Im Moment können wir nicht einmal den Freigang aus einer Justizanstalt organisieren, in der die VP für die Polizei arbeiten könnte. Auch in diesem Bereich wird viel Wissen verschenkt, weil wir als Kriminalpolizei der VP kein gutes Angebot machen können.


Viel Quatsch! Bundeskanzler Nehammer hat schon seine Lösung für etwaige Probleme verraten: Psychopharmaka oder Alkohol! Und die Wissenschaft gibt ihm recht. In der Profil-Ausgabe Nr. 26 interviewte die Journalistin Franziska Dzugan den berühmten Neurologen und Psychiater Scott A. Small. Smalls Erkenntnisse sind für Polizisten deshalb besonders interessant, da er als junger Soldat im Libanonkrieg war und dort selbst praktische Erfahrungen im Verarbeiten von traumatischen Situationen machen konnte, die er nun als Wissenschaftler analysieren und erklären kann. Small erzählt, dass seine Einheit bei der Schlacht um Beaufort Castle eingesetzt war, wo er viele Freunde verloren hat.

Doch nachher waren sie monatelang auf einem ruhigen Stützpunkt: „Wir lebten abgeschieden in einer Kaserne, waren uns nah wie Brüder und machten viel Quatsch. ... Eine posttraumatische Belastungsstörung ist nichts anderes als ein Gehirn, das durch viel zu viele Erinnerungen in Flammen steht. Soziale Kontakte holen das Angstgedächtnis herunter.“


Bier auf Rezept? Small und seine Kameraden hatten einen „makaberen Humor“ entwickelt, aber auch viel getrunken und Cannabis geraucht. Small dazu: „Alkohol und Cannabis haben ebenfalls unsere entflammten Gehirne gekühlt – und uns damit unsere Ängste vergessen lassen.“ Makaberer Humor, Alkohol und Quatsch mit den Kollegen, kommt Ihnen, werter Leser, einiges bekannt vor? Schön, dass die Wissenschaft das Feierabendbier als sinnvoll erachtet. Und traumatische Erlebnisse gibt’s wahrlich genug in unserem Beruf. Und damit meine ich nicht nur die berühmte Leiche nach zwei Wochen in der Badewanne. Für mich persönlich waren Leichen nie das Problem, außer olfaktorisch. Die haben das Leiden schon überstanden. Andere sind noch mitten drin. Eine Vernehmung ist auch immer eine Zäsur, man spricht über die Schule, die Lehre, die Eltern, über Chancen und vergebene Chancen. Nicht nur die Opfer haben Belastendes erlebt. Die Täter haben auch oft eine Geschichte, eine Geschichte die sie bei der Vernehmung erzählen. Und wir sitzen Auge in Auge mit den Menschen dahinter, spüren ihre Emotionen, Angst, Trauer, Wut. Und nehmen sie auch mit nach Hause. Kollegen sind dann oft die besten Therapeuten, nur sie haben auch erlebt, was du erlebt hast, sie verstehen deine Geschichten und Probleme. Lasst uns drüber reden, bevor aus zwei Bier am Abend, ein ganzer Kasten täglich wird. (Und falls diese Gespräche nicht reichen, nutzen Sie bitte die professionellen Angebote des Psychologischen Dienstes. Das ist wahrlich keine Schande bei unserem beruflichen Alltag!)


Frankreich brennt! Die Ausschreitungen in Frankreich vor wenigen Wochen haben gezeigt, wie schnell es gehen kann. Landesweit kam es zu Zerstörung und Gewalt, es wurden Schulen, Bibliotheken, Autos und – teils gezielt jüdische – Geschäfte angezündet und auch ein Holocaust-Denkmal geschändet. Zahlreiche Menschen wurden verletzt. Wie zu Silvester in Deutschland wurden unter Allahu Akbar-Rufen nicht nur Polizisten, sondern auch Feuerwehrleute angegriffen. Deutschland hat ein massives Problem, nicht nur zu Silvester, nicht nur in den Freibädern oder den Clanvierteln. Wien wurde abermals zur lebenswertesten Stadt gekürt, auch auf Grund der guten Sicherheitslage. In dieser Wertung ist keine einzige deutsche Stadt unter den ersten Zehn! In Frankreich und Deutschland herrschen Zustände, die bei uns – noch – unvorstellbar sind. Die Demonstrationen der Erdogan-Fans in Favoriten - als ob Freilandhühner für Käfighaltung werben – haben gezeigt, dass die schiere Anzahl des Gegenübers für die Polizei zur Mission Impossible werden kann und nur mehr Rückzug Sinn macht. Die Signalwirkung der türkischen Community an das offizielle Österreich war eindeutig.


Wieder das R.-Wort? In Frankreich, so hört man in Medienkommentaren oft, gehen die Benachteiligten auf die Straße. Die aus den Banlieues, denen vom Staat keine Chance gegeben wird. Die oft von Arbeitslosigkeit betroffen sind, viele aus dem migrantischen Milieu. Ist Frankreich ein Staat, der strukturellen Rassismus betreibt? Oder Deutschland? Vor wenigen Wochen war in Österreich Zeugnisverteilung. Und wieder war Gesprächsthema, dass in Österreich rund 40% der Schüler nach der 8. Schulstufe nicht richtig lesen und schreiben können und auch die Grundrechnungsarten nicht beherrschen. Wie viele Jobs gibt es noch, bei denen man weder lesen noch rechnen können muss? Da wird es selbst im Fastfood-Bereich schwierig. Die Probleme beginnen oft mit der Sprachentwicklung, wenn Deutsch nur an wenigen Stunden der Woche in der Schule gesprochen wird.


Keine Motivation? Nun, ist die Schule, ist der Staat schuld, wenn man nach 8 Jahren in der Schule nicht viel mitgenommen hat? Gibt es sowas ähnliches wie Eigenverantwortung noch? Dass ich mich bemühen muss, wenn ich etwas schaffen, etwas erreichen will? Nein, schuld ist immer das System, die Anderen! 60% der Kinder zeigen, dass man in der Schule sehr wohl etwas lernen kann, wenn man will. Und auch von den Eltern ein bisschen gefördert wurde. Fakt ist, dass diese 40% der Jugendlichen ein Problem haben. Ein Problem mit einem Beruf. Und damit ein Problem für ihr ganzes Leben. Das sie vielleicht auch an ihre Kinder weitergeben werden?


Vergebene Chancen. Das sind tausende vergebene Chancen. Und jedes Jahr werden es tausende mehr. Dazu kommen noch die vielen jungen Migranten aus arabischen und afrikanischen Ländern, die auch keine adäquate Bildung bekommen haben. Viele davon werden von Arbeitslosigkeit und daher von Perspektivlosigkeit betroffen sein. Sie werden keine Familie ernähren können oder ihre Kinder in prekären Verhältnissen großziehen. Weil Österreich ein rassistischer Staat ist? Oder weil der Arbeitsmarkt in Europa einfach gewisse Anforderungen hat? Aber wenn die Straße brennt, dann wird sich niemand mehr an das mangelnde Interesse der Schüler und Eltern erinnern, dann steht der Staat am Pranger. Dafür muss man kein Hellseher sein.


Meinungen und Leserbriefe (auch vertraulich) bitte an: krimi@aon.at

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