Einsparen statt einsperren?
- Herbert Windwarder
- vor 7 Stunden
- 6 Min. Lesezeit
Österreich hat so ein Defizit, dass sich sogar die Griechen um uns Sorgen machen. Sparen ist angesagt. Für Alle. Also auch für den Sicherheitsapparat. Welche Folgen sind zu erwarten?

Unsere Headline verdanken wir dem Kriminalisten Martin E., eine spontane Reaktion auf die Pläne unserer Strategen in der Herrengasse. Und Martin E. ist ein g‘standener Waldviertler, also vom Naturell her nicht leicht zu erschüttern. Ich muss zugeben, dass auch ich leicht erschüttert war, wie weit die Prognosen des Ex-Finanzministers von der Realität entfernt waren. Markus Brunner sprach vor einem Jahr noch von 2,9% Verschuldung, tatsächlich wurden es wenige Monate später 4,7%. Nun, was sind schon ein paar Milliarden Euro? Ich finde es im Nachhinein noch schade, dass meine Mathematiklehrer in mir nicht das Talent zum Finanzminister erkannten, sondern mir einfach nur schlechte Noten gaben! Just saying.
Hohe Fixkosten. Die Republik muss also den Gürtel enger schnallen. Für die Bürger, die unter einer hohen Steuerbelastung, einer exorbitanten Inflationsrate und ebensolchen Preisen bei Miete, Lebensmitteln, Transport und Heizkosten stöhnen, kein Kindergeburtstag. Beamte sind doppelt betroffen, da die Gehaltserhöhung für 2026 neu, und dadurch natürlich schlechter, verhandelt wurde. Als man in den 70er- und 80er-Jahren des vorigen Jahrtausends neue Polizisten eingefangen hat (angeblich besonders erfolgreich im Raum Mistelbach, woher unser Spitzname rührte), versprach man uns, dass das Anfangsgehalt zwar grottenschlecht ist, aber der Verdienst später gut ansteigt und man auch sehr früh mit 80 % vom Letztgehalt in Pension gehen kann. Nun ja, wenigstens ist der Job sicher. Viele KTM-Arbeiter würden gerne mit unseren Problemen tauschen.
Kein Outlook. In der Privatwirtschaft ist es kein Einzelfall, dass über 50-jährige gekündigt und durch jüngere und billigere Arbeitskräfte ersetzt werden. Und man dann die Wahl hat, woanders mit weniger Gehalt neu anzufangen, oder arbeitslos auf die Pension zu warten. Oder ein kurzer Seitenblick zur Justiz: Während es den gut vernetzten Innenministern in den letzten Jahren gelungen ist, mehr Planposten und mehr Budget zu bekommen, dümpelt die Justiz so dahin. Obwohl die Verfahren immer aufwendiger werden, mehr und genauere Anordnungen geschrieben werden müssen, mehr berichtet werden muss und wie überall alles umständlicher geworden ist. Die Justiz hat im Moment nicht einmal das Geld für g‘scheite Computerprogramme und musste auf Opensource-Lösungen ausweichen. „Richtiges“ Excel bekommt nur, wer den Bedarf nachweisen kann.
Keine Rücksicht. Als Polizist über 50 hat man oft die Möglichkeit, die Arbeit etwas an das Alter anzupassen. Gruppenführer oder Wachkommandanten lassen die Jugend kämpfen und kümmern sich mehr um den Papierkram und die Statistik, es gibt da einen gewissen Spielraum. Bei der Justiz teilt der Computer die Akten zu und so bekommt der 60-jährige Staatsanwalt die genau gleiche Menge an Arbeit wie der/die 30-jährige KollegeIn. Einerseits sollen die Menschen länger arbeiten, andererseits wird wenig unternommen, um auf die Bedürfnisse der älteren Mitarbeiter Rücksicht zu nehmen. Und dadurch verliert der Standort Österreich viel an Erfahrung und Wissen, wenn Menschen zum erstmöglichen Zeitpunkt in die Pension flüchten. Ex-Justizminister Brandstetter hatte damals angedacht, Richter und Staatsanwälte auf eigenen Wunsch auch länger als bis 65 Jahre arbeiten zu lassen, für Höchstrichter ganz normal. Wenn das Arbeitsumfeld und die Anreize stimmen, würden sicher mehr Menschen, nicht nur in der Justiz, freiwillig länger arbeiten.
Drucker ade. Outlook und Excel hat man den Polizisten noch nicht weggenommen, aber Drucker werden eingezogen. Ich kann als Laie das Einsparungspotential nicht beziffern, aber werden unsere alten Drucker jetzt auf „willhaben“ oder am Mexikoplatz verscherbelt? Der papierlose Akt sollte den Unterschied machen, aber gerade bei der Exekutive sind wir von papierlos weit entfernt. Niederschriften, die Festnahmebestätigung und Sicherstellungen müssen unterschrieben werden, somit auch ausgedruckt. Jeder DHL-Bote hat zwar schon ein elektronisches Kastel für eine Unterschrift, bei uns ist das noch Zukunftsmusik.
Übersicht behalten. Gar nicht zu reden von der Übersichtlichkeit bei größeren Akten. Das PAD ist da kein brauchbares Werkzeug, in einem Bene Ordner werde ich schneller fündig. Bei Großverfahren kommen viele OZ zusammen, zig Beschuldigte, mehrere Tatorte, Spurenberichte, Anordnungen, Anzeigen, Ausschreibungen, etc. Es ist sicher auch eine Frage der Gewohnheit, aber viele lesen lange Berichte lieber auf Papier statt auf dem Bildschirm, vor allem wenn man mehrere Schriftstücke querlesen muss. Da stößt das System an Grenzen. Apropos Grenzen, der Kriminalist Christian Sch. vom EB 06 hat einen Großakt, den er nicht mehr bearbeiten kann, weil sich das System regelmäßig aufhängt. Unsere EDV-Spezialisten mussten hier die weiße Fahne schwenken.
„Nichtkorrekt“. By the way, wer zeichnet eigentlich dafür verantwortlich, dass man nun 14 Buchstaben/Zahlen beim BAKS-Einstieg braucht? Ich bin alt, ich bin froh, wenn ich mir merke, warum ich eigentlich den Rechner aufgedreht habe. Ich kann mir vorstellen, dass die Auftragslage bei der Benutzerverwaltung betreffend der Entsperrung von Usern so in die Höhe geschossen ist, wie unser Budgetdefizit. Ich habe deshalb das Passwort „Nichtkorrekt“ gewählt. Wenn ich wieder einmal etwas Falsches eingebe, sagt mir der Computer „Ihr Passwort ist nicht korrekt“. Folgt mir für mehr EDV-Tipps!
Älter als Google! Dabei gäbe es echtes Einsparungspotential. Durch die Gnade der frühen Geburt kenne ich die Aktenbearbeitung aus der Vorcomputer-Ära. Ja, werte junge KollegenInnen, das war damals knapp nach dem Aussterben der Dinosaurier. Computer hatte nur die NASA, es gab kein Internet, keine Mails und kein Google. Es gab nicht einmal Tinder, dafür gab‘s Discos und, ihr müsst jetzt ganz stark sein: Man hat miteinander gesprochen! So richtig von Angesicht zu Angesicht, und man konnte dabei keine Emojis verwenden. Kaum vorstellbar, ich weiß. Aber sorry, ich schweife ab.
Wenn wir früher im Wiener Sicherheitsbüro, so hieß der zentrale EB in der Berggasse, eine Festnahme hatten, schrieben wir einen sogenannten Achtelbogen. Und im Journal lag ein handgeschriebenes Haftbuch. Die Kriminalstatistik erledigte die Sekretärin des Polizeijuristen. Kurz gesagt, der bürokratische Aufwand hielt sich in Grenzen und man hatte mehr Zeit für die richtige Arbeit. „Vom Manderln zeichnen kommen keine Täter“ wusste damals schon ein kluger Kopf.
Statistikhydra. Natürlich sind die Anforderungen heute anders, trotzdem sind wir Meister der Mehrgleisigkeiten, bloße Doppelgleisigkeit wäre schon ein Fortschritt! Das beginnt im Großen bei EU/Bund/Länder/Gemeinden und endet im Kleinen bei den vielen Statistiken und Arbeitsnachweisen für den Polizisten. Es gibt den SIMO, die Protokollierung im PAD, es gibt den Tagesbericht im PAD und die Tagesmeldung für Festnahmen, es gibt den Output in der edd, es gibt das Aktenbuch in der Gruppe und die Wochenstatistik für SG-Sicherstellungen, gleichzeitig bezieht das BK aber die Zahlen aus den Sicherstellungen/Depositen im PAD, es gibt die Kriminalstatistik und den Streifenbericht, es gibt die Monatsberichte an die LPD und an den EB-Leiter, und dann gibt es auf Anfragen aus dem Kabinett oder Medien weitere Zahlen und Fakten, die zusammengesucht werden müssen. Oft gibt es ein offizielles Tool, das aber so unübersichtlich ist, dass man lieber auf Excel selbst etwas bastelt. Berichten inklusive der Zahlen ist bei uns immer noch eine Bringschuld der Kleinen statt eine Holschuld der Großen. Klar, ist bequemer so.
Chat-GPT fragen? Lähmende Bürokratie und Dokumentation treffen nicht nur Polizisten, sie sind ein Thema quer durch alle Berufe, vom Arzt bis zum Unternehmen. Die EU macht das alles nicht einfacher. Sepp Schellhorn hat den Auftrag der Regierung, auf Bundesebene nach Lösungen zu suchen. Wer macht den Sepp Schellhorn im Innenressort? Vielleicht wäre „Verwaltungsvereinfachung im Exekutivdienst“ auch ein tolles Thema für die SIAK? Oder wer schafft eine Dienstanweisung, die kürzer und verständlicher ist, als die Vorgängerversion? Dito beim Fahrbefehl. Wer da den Durchbruch schafft, dem wäre ein Denkmal am Minoritenplatz sicher.
Billige Üst. Weg von feuchten Träumen, zurück in die bittere Realität. Drucker lassen sich verschmerzen, es wird aber auch bei den Fahrzeugen, bei der Ausstattung und der Weiterbildung schwere Einschnitte geben. Sparen lässt sich natürlich am meisten bei den Personalkosten. Das Thema Überstunden ist ein Dauerbrenner. Viele Beamte in Wien klagen über die hohe Belastung. Andererseits wurden auch Sonderabteilungen im Bundeskriminalamt bei den Überstunden rationalisiert. Und die Beamten müssten bei wichtigen Ermittlungen gegen die Organisierte Kriminalität mittendrin aufhören, weil das Limit erreicht ist. Fakt ist, Überstunden sind für den Dienstgeber weitaus billiger als die eigentlich nötige Anzahl von Beamten zu beschäftigen. Wer auf Überstunden im Dienst ist, braucht keinen extra Urlaub, Krankenstand oder Ausrüstung.
Viele Bereiche der Polizei würden ohne die Leistung von Überstunden zusammenbrechen. Das gilt vor allem für die unterbesetzte Landespolizeidirektion Wien, mit den zahllosen Demonstrationen, Matches und Staatsbesuchen. Auch der Kriminaldienst kann noch flexibel reagieren, da man zusätzliche Kräfte auf Überstunden heranziehen kann. Die Betonung liegt auf „noch“.
Level halten. Davon ist auch das Bundeskriminalamt nicht verschont, im Gegenteil, es steht die Einsparung von rund 100 Zuteilungen im Raum. Dass man mit 100 Kriminalisten weniger nicht das Gleiche leisten kann, dürfte einleuchten. Österreich ist mit den polizeilichen Herausforderungen seit 2015 besser umgegangen als viele andere europäische Länder, insbesondere unser großer Bruder Deutschland. Das haben wir geschafft, weil in der Vergangenheit dafür auch richtig Geld in die Hand genommen wurde. So lange die konsequente Abschiebung von Intensivtätern keine Option ist und man den Level an Sicherheit halten will, werden Einsparungen bei der Exekutive nicht ohne Folgen bleiben. Apropos, wenn Messerverbotszonen funktionieren würden, könnte Selenskyj einfach Schilder mit durchgestrichenen Panzern im Donbas aufstellen. Da würde der Putin aber blöd schauen!
„Didi for Präsident!“ Die gute Nachricht haben wir uns für den Schluss aufgehoben. Mit Dieter Csefan wurde erstmals ein gelernter Kiberer Polizeivizepräsident in Wien. Begonnen hat er seine Karriere bei der Suchtgiftgruppe in der Berggasse. Im Bundeskriminalamt hat er sich besonders um die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität einen Namen gemacht. Dass er gerade in dieser Finanzkrise den schwierigen Job antreten muss, wird eine zusätzliche Herausforderung. Aber wer schon Gegner wie die serbische Mafia hatte, sollte sich auch im Haifischbecken am Schottenring zurechtfinden! Wir wünschen auf jeden Fall viel Erfolg!
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