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Ernst Vitek

Demokratie Neu?

Wann findet Österreich den Weg in eine echte Demokratie?



Die Österreichisch-Ungarische Monarchie endete bekanntlich im Jahr 1918. Am 21. Oktober 1918 versammelten sich die deutschsprachigen Abgeordneten in Wien im niederösterreichischen Landhaus und hoben am 12. November 1918 „Deutschösterreich“ als demokratische Republik aus der Taufe, einen Tag vorher hatte Kaiser Karl auf die Mitwirkung an den Staatsgeschäften verzichtet und somit de facto abgedankt. Zwar wurden der Adel und alle diesbezüglichen Titel mit dem Adelsaufhebungsgesetz vom 3. April 1919 abgeschafft. Die neue Republik hat es aber verabsäumt, auch die großen Vermögen der Adeligen, welche diese im Laufe der Jahrhunderte, wahrscheinlich nicht immer auf ganz legalen Wege erworben hatten, einzuziehen und in das Staatsvermögen einzugliedern.


Großer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Einfluss ehemaliger Adelsfamilien. So verfügen auch im Jahr 2022, also 104 Jahre später ehemals adelige Familien über riesige Flächen des Bundesgebietes und ziehen daraus wirtschaftlichen Nutzen, der dem österreichischen Staat zufließen könnte. Viele Angehörige einst adeliger Familien leben heute noch in feudalen Verhältnissen, nützen ihre eigentlich abgeschafften Titel noch immer, um dadurch einen besonderen Status vorzugeben und generieren dadurch Privilegien, welche ihnen nach österreichischem Recht nicht zustehen.

Erinnern Sie sich an „Graf“ Mensdorf-Pouilly? Zahlreiche gerichtliche Prozesse wurden gegen ihn geführt und kurzfristig befand er sich einmal in London in Haft.

Vor kurzem hatten wir auch einen Bundeskanzler, den der Titel „Graf“ schmückt. Sein Verhalten gegenüber dem Parlament und dessen Abgeordneten entsprach nicht immer einem gräflichen Verhalten, man könnte aber interpretieren, dass er lieber gerne mit Seinesgleichen verkehrt und weniger mit einfachen Bürgerinnen und Bürgern.


Die Macht der katholischen Kirche. Auch die katholische Kirche hat im Laufe der Jahrhunderte einen großen Schatz von Gütern, Liegenschaften, Immobilien und Privilegien angehäuft und tut dies laufend weiter. Wenn es dann erforderlich ist, Kirchen, Klöster und andere kirchliche Einrichtungen zu renovieren, in Stand zu halten, scheuen sich die Kirchenvertreter trotzdem nicht, sowohl den Staat, als auch die Bevölkerung aufzurufen, eifrig zu spenden, damit diese Investi­tionen ermöglicht werden. So genannte kirchliche Würdenträger und kirchliche Einrichtungen genießen Privile­gien, steuerliche Vorteile und nützen diese gerne und intensiv.

Obwohl sich die Zahl der Mitglieder der Kirchen, insbesondere der katholischen Kirche, jährlich erheblich reduziert, hat sich die Einstellung des Staates gegenüber der Kirche nicht verändert. Es gilt nach wie vor das „Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhle und der Republik Österreich samt Zusatzprotokoll“, welches aus der Zeit des Ständestaates, vom 1. Mai 1934 stammt und vom damaligen Bundeskanzler Engelbert Dollfuß, der Österreich nach Ausschaltung des Parlaments regierte, mit der katholischen Kirche vereinbart wurde.

Aufgrund dieser Vereinbarung werden nach wie vor die Lehrpläne für den Religionsunterricht von der Kirchenbehörde aufgestellt; als Religionslehrbücher können nur solche Lehrbücher verwendet werden, welche von der Kirchenbehörde für zulässig erklärt wurden. Wie die Kirche mit diesen Privilegien umgegangen ist, muss man immer wieder erfahren. Für Missbrauchsfälle im schulischen Bereich sind sehr häufig kirchliche Vertreter bzw. Lehrende verantwortlich gewesen.

Ob solche Privilegien einer Reli­gionsgemeinschaft den Erfordernissen eines modernen Staates entsprechen, darf in Zweifel gezogen werden. In Frankreich beispielsweise hat man sich bereits im Jahr 1905 zum Prinzip des Laizismus bekannt, welches bedeutet, dass eine vollständige Trennung von Kirche und Staat erfolgte. Es gibt in Frankreich seither keine staatliche Finanzierung der Kirche oder anderer Religionsgemeinschaften. Alle vor 1905 gebauten sakralen Gebäude, insbesondere die Kirchen, sind öffentliches Eigentum und werden vom Staat unterhalten und es gibt keinen Religionsunterricht an staatlichen Schulen. Kirchen und Glaubensgemeinschaften sind in Frankreich privatrechtliche Vereine, keine Körperschaften des öffentlichen Rechts, der Staat verbietet das Tragen religiöser Symbole in den Schulen, er zieht für die Kirchen keine Kirchensteuer ein und die Kirchen haben keinen Sitz in Rundfunkräten.

Damit hat in Frankreich jede Bürgerin und jeder Bürger das Recht, seinen Glauben frei zu wählen und zu praktizieren, ohne dass der Staat dies durch Privilegien und Konkordate unterstützen muss. Es stellt sich die Frage, aus welchem Grund die Abschaffung dieses religiösen Einflusses auf den Staat und seine Bürgerinnen und Bürger in Österreich nicht möglich ist.

Religion ist eine höchstpersönliche Angelegenheit jedes einzelnen und es sollte hinterfragt werden, weshalb der Staat Verpflichtungen gegenüber einer Religionsgemeinschaft eingehen soll. Selbstverständlich soll dies das Recht der freien Religionsausübung nicht beeinträchtigen.

Österreich im Banne „feudalistischer“ Strukturen. Was sind aber die Folgen des hier Dargestellten? In Österreich herrschen nach wie vor staatliche Strukturen vor, welche Anzeichen eines Feudalsystems beinhalten. Die Bundesländer wurden aus ehemaligen Teilen eines monarchischen Staatsgebildes errichtet. Man spricht nicht selten im täglichen Umgang von „Landesfürsten“ und das Gehabe mancher dieser Politiker ist oft dem Verhalten früherer Adeliger angeglichen.

Die eigentlichen Aufgaben, einer behördlichen Einrichtung vorzustehen und Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen, treten gegenüber repräsentativen „Pflichten“ in den Hintergrund. Viele solcher „Landesfürsten“ lassen sich mit teuren Limousinen durch die Lande kutschieren, nehmen an Festen teil und die Huldigungen ihrer scheinbaren „Untertanen“ entgegen. Sie eröffnen Gebäude und Straßenstücke und verfügen über einen gewaltigen bürokratischen Apparat, der nach den jeweiligen parteilichen Präferenzen geführt wird und dessen administrative Kräfte zu großen Teilen nach diesen politischen Machtverhältnissen ausgewählt und bestellt werden. Es stellt sich die Frage, aus welchen Gründen man diese überbordenden Verhältnisse nicht längst beschnitten und eingeschränkt hat und effiziente behördliche Strukturen errichtete, die den Erfordernissen einer modernen, schlanken und aufgabenkonformen Verwaltung entsprechen.


Wo fehlen Ressourcen? Das, was hier an Geld und Ressourcen aufgewendet oder eher verschwendet wird, fehlt an der Basis des Staates, nämlich bei den einzelnen Gemeinden. Die Gemeinden tragen eine große Last des Staates, sie unterhalten Schulen und Kindergärten, errichten Straßen, Wohnungen und erforderliche öffentliche Einrichtungen, wie Wasserversorgung, Müllentsorgung und dergleichen. Vielen österreichischen Gemeinden fehlen die entsprechenden finanziellen Mittel, um ihre Aufgaben entsprechend erfüllen zu können. Währenddessen werden auf Landesebene aufgeblähte behördliche Apparate erhalten, welche Geld verschlingen, das in den Gemeinden dringend benötigt würde.


Versagen staatlicher Einrichtungen und Strukturen. Die letzten Jahre, als eine Pandemie aufgetreten ist, die zahlreiche behördliche Eingriffe und Verfügungen erforderlich machte, haben gezeigt, dass die staatlichen Strukturen in vielen Fällen versagt haben. Grund dafür war, dass unterschiedliche Einflüsse von politischen Funktionären geltend gemacht wurden, welche eine wirksame und effiziente Bekämpfung dieser Krankheit erheblich beeinträchtigt haben.

Der zuständige Bundesminister für Gesundheit konnte seine Tätigkeit nicht störungsfrei und möglichst unbeeinflusst, auf einer sachlichen und von Expertenmeinungen unterstützen Basis ausüben, weil von einem fachlich nicht zuständigen und bezüglich der Materie ahnungslosen Bundeskanzler immer wieder in sein Ministerium hineinregiert wurde. Zudem hatten unterschiedliche Bundesländervertreter je nach ihren Zuständigkeitsbereichen und ihren lokalen Intentionen und Sonderwünschen großen Einfluss auf den Lauf und die Art der Entscheidungen.

In weiterer Folge wurden viele Fehler gemacht, die möglicherweise zu schweren Krankheiten oder sogar dem Tod von Menschen führten. Ein Staat, in dem keine klaren Strukturen bestehen und wo der Einfluss von politischen Vertretern stark ist, welche auf ihre lokale oder scheinbare Macht pochen, ist nicht in der Lage, Krisensituationen gut zu meistern und damit den Auftrag seiner Staatsbürgerinnen und Staatsbürger bzw. auch der Menschen, die hier leben und ihren Aufenthalt haben, gerecht zu werden.


Haftung von politischen Entscheidungsträgern. In unserem Land fehlt auch die Haftung für politische Entscheidungsträger, wenn diese offensichtlich falsche Veranlassungen getroffen haben, die Schaden für den Staat oder seine Einrichtungen verursachten. In der Wirtschaft werden Führungskräfte, die ihre Aufgaben nicht im Sinne des jeweiligen Wirtschaftskörpers getroffen haben, zumeist zur Verantwortung gezogen oder aus ihren Positionen entfernt. In der österreichischen Politik ist es möglich, dass politische Funktionäre sich ihrer Verantwortung entziehen. In vielen Fällen bleiben sie noch im Amt oder weisen jede Schuld von sich, auch wenn diese offensichtlich ist. Treten Skandale auf, dauert es lange, bis diese aufgedeckt, untersucht werden und bis es entsprechende Veranlassungen gibt. Wie man in den vergangenen Jahren beobachten musste, wird alles versucht, um Skandale in Österreich zuzudecken, deren Untersuchung zu hintertreiben oder die für diese Untersuchung zuständigen Stellen zu verunglimpfen und zu behindern.

Aufgabe von Politikerinnen und Politikern wäre, die Verwaltung des Staates zu steuern, zu organisieren und am Laufen zu halten. Die Inanspruchnahme diverser Privilegien und Machtinsignien, das gedanken- und verantwortungslose Treffen von Entscheidungen ist nicht ihre Aufgabe.

Es wird Zeit, eine neue Form von Politik in Österreich einzurichten. Die Politikverdrossenheit bzw. das Desinteresse an der Politik, ihren Entscheidungsträgern und Mechanismen in der Bevölkerung wird ständig größer. Viele Menschen wissen auch nicht mehr, welcher Politikerin oder welchem Politiker bzw. welcher Partei sie ihr Vertrauen schenken sollen. Der Ruf nach neuen Strukturen, neuen verantwortungsbewussten Menschen, die den Staat führen können und möchten, verhallt leider. Fragt man Freunde und Bekannte, was sie bei der nächsten Wahl für eine Entscheidung treffen möchten, ob sie zur Wahl gehen, wem sie ihre Stimme geben wollen, hört man immer mehr, dass sie das nicht wissen.

Ein gutes Zeichen für die Politik und ihre Repräsentanten in Österreich? Wohl kaum!







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