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  • Julia Brunhofer, Herbert Zwickl

Das Geschäft mit Plagiaten

Marken- und Produktpiraterie führen nicht nur zu wirtschaftlichen, sondern oft auch zu gesundheits­schädlichen Gefahren. Wie die kriminellen Netzwerke arbeiten, welche Rolle der Zoll spielt und wie sich Hersteller und Konsumenten schützen können.



Waren im Wert von geschätzten 412 Milliarden Euro weltweit und 119 Milliarden EU-weit. 7,6 Tonnen Wasserpfeifentabak, 1,5 Tonnen Uhren, Schuhe, Handtaschen und Trainingsanzüge und 2.580 Fahrradhosen und -trikots und noch vieles mehr. Allesamt Fälschungen, aber nur die Spitze des Eisbergs an aufgegriffenen Produkten vom Österreichischen Zoll alleine im Jahr 2020. Was immer wieder als Fake-Market diskutiert wird, ist ein lukratives, kriminelles Geschäft. Marken- und Produktpiraterie zählt heute zu den eindringlichsten Geschäften rund um den Erdball.

„Als Produktpiraterie bezeichnet man das Herstellen und Inverkehrbringen von Waren, die Rechte des geistigen Eigentums eines anderen verletzen, also insbesondere Marken, Patente, Urheberrechte und Designs betreffen“, erklärt Gerhard Marosi vom Bundesministerium für Finanzen. Produktpiraterie ist alles andere als ein Kavaliersdelikt. Am Ende bedroht diese Kriminalität nicht nur Wirtschaftsbetriebe, sondern Millionen von Existenzen. „Diese Rechte sind für Unternehmen ein zentraler Wertschöpfungsfaktor und treibende Kraft für ihren Erfolg auf wettbewerbsorientierten Märkten. Wirtschaftszweige, die Rechte des geistigen Eigentums intensiv nutzen, schaffen in Österreich 29,6 % aller Arbeitsplätze, das sind mehr als 1,2 Mio. Beschäftigte. 43,6 % des BIP entfallen auf diese Wirtschaftszweige. Produktpiraterie fügt diesen Unternehmen einen erheblichen Schaden zu und gefährdet auch in Österreich Arbeitsplätze.“


Florierender Geschäftszweig für kriminelle Netzwerke. 66 Millionen aufgegriffene Artikel wurden im Jahr 2020 verzeichnet – das geht aus dem im März 2022 erschienen Bericht zur „Kriminalität im Bereich des geistigen Eigentums“ der Europäische Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums (EUIPO & Europol) hervor. Das ist zwar ein Rückgang im Vergleich zum Vorjahr (76 Millionen im Jahr 2019), was der Covid-19-Pandemie und dem damit verbundenen Rückgang des Warentransfers geschuldet ist. Doch wurden gleichzeitig neue Wege des kriminellen Handels angekurbelt – Stichwort On­line-Marktplätze.

Wurden gefälschte Waren früher ausschließlich als Massengut per Frachttransport in die Zielmärkte geschleust, werden heute immer häufiger Expressdienste und kleine Pakete genutzt, um die Waren ins Zielland und damit zum Endkunden zu bringen. Auch werden Online-Plattformen, soziale Medien und Sofortnachrichtendienste für den Vertrieb genutzt.

Produziert werden die meisten Fälschungen noch immer außerhalb der EU, hauptsächlich in China, aber auch in der Türkei, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Singapur, wie aus dem Produktpirateriebericht 2021 des Bundesministeriums für Finanzen hervor geht.

„Kriminelle Netzwerke mit Sitz in der EU sind für den Vertrieb dieser eingeführten gefälschten Waren und in einigen Fällen für den Betrieb von Einrichtungen verantwortlich, die Halbfertigprodukte zusammenfügen“, hält ein internationaler Bericht von EUIPO und Europol fest. „Die zunehmende Einfuhr gefälschter Verpackungsmaterialien und Halbfertigprodukte in die EU weist eindeutig auf illegale Herstellungsstätten in der EU hin. Produktionsstandorte wurden in vielen Mitgliedstaaten entdeckt, darunter Labors, die gefälschte Arzneimittel herstellen, Betriebe, die gefälschte Bekleidung und Luxusgüter mit Etiketten versehen, Produktions- und Umverpackungseinrichtungen für illegale Pes­tizide und Zigaretten, Betriebe, in denen sowohl authentische als auch gefälschte leere Flaschen alkoholischer Getränke aufgefüllt werden, und geheime Betriebe, in denen gefälschte Parfums umverpackt werden.“

Und wer glaubt, dass Produktpiraterie ein Phänomen für Hightech-Produkte oder ausschließlich Design-Artikel ist, der irrt, weiß Gerhard Marosi: „Die von den Zollverwaltungen am häufigsten beschlagnahmten Produktkategorien sind Schuhe, Bekleidung, Lederwaren, elektronische Geräte, Kosmetika, Parfümeriewaren sowie Spielzeug und Spiele.“

Neben den wirtschaftlichen Schäden warnen die Experten vor funktionellen Einschränkungen und vor allem Gefahren im Gebrauch, wie aus dem Produktpirateriebericht 2021 hervorgeht: „7 % der erfassten gefährlichen gefälschten Waren wurden als Waren eingestuft, von denen ein schwerwiegendes Risiko ausgeht. 80 % der in der EU als gefährlich und gefälscht gemeldeten Waren sind für Kinder als Endverbraucher bestimmt (Spielzeug, Kinderpflegeprodukte und Kinderbekleidung).

Die häufigste gemeldete Gefahr (32 %) bezog sich auf die Exposition gegenüber gefährlichen Chemikalien und Giftstoffen, bei denen die unmittelbare oder langfristige Exposition zu akuten oder chronischen gesundheitlichen Problemen führen könnte. 24 % der als Fälschungen erfassten gefährlichen Produkte bargen mehr als eine Gefahr für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Ursachen der ermittelten Gefahren reichten von schlecht kons­truierten Produkten, der Verwendung von minderwertigen Materialien und Komponenten bis hin zum fehlenden Verständnis von Vorschriften oder Sicherheitsmechanismen. China war mit einem Anteil von 73 % das Land, aus dem zwischen 2010 und 2017 die meis­ten gefährlichen gefälschten Produkte kamen, während auf die Europäische Union 13 % der Produkte entfielen.“


Rekordmenge bei gefälschten Medikamenten. Besonders skrupellos wird Produktpiraterie im Bereich der Gesundheit. Gefälschte Medikamente sind leider im Vormarsch, vielfach aber völlig wirkungslos oder gar gefährlich, wie das Finanzministerium berichtet: „Nach wie vor besorgniserregend sind Medikamentenfälschungen und illegale Medikamente, die entgegen dem Verbot nach dem Arzneiwareneinfuhrgesetz 2010 durch Privatpersonen z. B. über das Internet bestellt und an­schließend eingeführt werden oder die Gegenstand von Schmuggelaktivitäten sind. Gefälschte und illegale Medikamente verursachen nicht nur einen wirtschaftlichen Schaden für die Pharmawirtschaft, sondern stellen auch eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar, da sie häufig nicht gemäß den einschlägigen Rezepturen zubereitet werden und möglicherweise gefährliche Inhaltsstoffe enthalten.“

Im Jahr 2021 wurden in Österreich bei rund 8.000 Aufgriffen insgesamt rund 2,6 Millionen gefälschte und andere illegale Medikamente beschlag­nahmt. So viele Fälle in einem Jahr hat der Zoll noch nie verzeichnet. Gegen­über 2020 ergibt sich eine Steigerung um mehr als 133 % (von 3.420 auf 7.983). Auch die dabei aufgegriffene Menge war die höchste je vom Zoll beschlagnahmte. Gegenüber 2020 ergibt sich hier sogar eine Steigerung um mehr als 650 % (von 345.966 auf 2.621.483).

Für einen Laien sind gefakte Medikamente – oder auch andere Waren oft sehr schwer erkennbar. Der ständig steigende Verkauf von Fälschungen über das Internet bildet ein wachsendes Problem und eine zusätzliche Gefahrenquelle für Konsumentinnen und Konsumenten. Internet-Auktionssysteme und Internet-Auktionsplattformen werden immer beliebter. Das haben auch die Fälscher und die Vertreiber von Piraterieware erkannt. „Die bei derartigen Systemen übliche Vorauskasse und die weitgehende Anony­mität der Verkäufer werden immer häufiger zum Vorteil der Fälscher und zum Nachteil der Käufer für den Vertrieb von Plagiaten genutzt“, weiß Marosi. „Das auch deshalb, weil die Durchsetzung von Konsumentenschutzrechten gegenüber der Verkäuferin/dem Verkäufer in dem betroffenen Land für die Verbraucherinnen und Verbraucher schwierig und teuer oder vielfach überhaupt unmöglich ist. Dennoch bestehen durchaus Möglichkeiten, Internetangebote von gefälschten Produkten zu erkennen und sich davor zu schützen.“


Fälschungen erkennen. „Beim Online-Shopping sollte immer auch bedacht werden, dass ein vermeintlich besonders günstiges Produkt vielleicht nur deshalb so günstig angeboten werden kann, weil es kein Originalprodukt, sondern eine billige, qualitativ minderwertige Fälschung ist. Solche Fälschungen werden im Internet immer häufiger auf schön gestalteten, seriös wirkenden Seiten angeboten. Besonderes Augenmerk sollte daher daraufgelegt werden, Waren möglichst nur bei seriösen Anbietern zu bestellen. Gerade Markenware sollte nur bei bekannten, etablierten Unternehmen gekauft werden, die auch online ähnlich seriös arbeiten wie in herkömmlichen Geschäften.“

Der Zoll selbst hält sich an Informationen der Hersteller. „Der Zoll erhält von den Rechtsinhaber Informationen zu den Originalwaren, Informationen zu bekannten Fälschungen und Merkmale zur Erkennung von Fälschungen“, sagt Marosi. „Daneben können auch dubiose Vertriebswege oder Falscherklärungen Ausgangspunkt für entsprechende Zollkontrollen sein.“


Vorbeugen ist besser als Nachsorgen oder ermitteln. Die EU-Produktpiraterie-Verordnung 2014 bildet eine präventive Maßnahme, welche die Vorgehensweise des Zolls regelt. „Ziel dieser Verordnung ist es, so weit wie möglich zu verhindern, dass Produktfälschungen auf den Unionsmarkt gelangen“, erklärt Marosi. Die Zollbe­hörden überwachen den gesamten Handel, der die Außengrenzen der EU überschreitet und führen Kontrollen zu verschiedenen Zwecken durch. Die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums durch die Zollbehörden stellt einen effizienten Weg dar, um den Rechtsinhabern und den Rechtenutzern einen raschen und wirksamen Rechtsschutz zu bieten.

Der Zoll hat entsprechend den Vorgaben der EU-Produktpiraterie-Verordnung 2014 die Einfuhr von Waren in die EU, bei denen der Verdacht besteht, dass sie gegen Rechte des geistigen Eigentums verstoßen, zu stoppen. Gelingt dies, ist oft nur ein einziges Verfahren zur Rechtsdurchsetzung notwendig. Befinden sich die Fälschungen bereits auf dem Markt und sind sie aufgeteilt und an Einzelhändler geliefert, wären für das gleiche Durchsetzungsniveau mehrere getrennte Verfahren notwendig.

Die vom Zoll beschlagnahmten Waren werden vernichtet, wenn damit sowohl der Einführer als auch der Rechtsinhaber einverstanden sind. Legt insbesondere der Einführer einen Widerspruch gegen die Vernichtung ein, kommt es über Klage des Rechtsinhabers zu zivil- und/oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren. Ansonsten obliegt es dem jeweiligen Rechtsinhaber, nicht nur die zur Rechtsdurchsetzung notwendigen Schritte, sondern allenfalls auch noch präventive Maßnahmen zu setzen.“


Produktsicherheit made in Austria. Gerade in Österreich befindet sich ein weltweit einzigartiges Startup Unternehmen, das aus einer persönlichen Erfahrung mit Produktpiraterie im Arzneibereich entstanden ist und heute eine weltweit einzigartige Patentlösung für Unternehmen anbietet.

„Die Idee ist bei einem Treffen unter Freunden entstanden, als jemand freimütig erzählt hat, die Pille für seine Frau kostengünstig im Internet zu erwerben“, erinnert sich Thomas Weiß, CEO und Gründer von Authentic Vision. „Auf die Frage, wie er sich sicher sein könne, wirksame Medikamente zu kaufen, ist er erblasst.“

Eine Lösung für dieses Problem zu finden hat die Gründer fortan nicht mehr losgelassen und sie haben Authentic Vision gegründet. Die Firma besteht nun seit 2012 und hat aktuell 30 Mitarbeiter – vom Experten für Computer Vision über kryptologische Spezialisten bis hin zu Profis zu Druckverfahren und Folien. „Das Besondere daran: wir haben durch Zufall herausgefunden, wie man Produkten einen kopiersicheren Fingerabdruck gibt, der ähnlich wie beim Menschen eine eindeutige Identifizierung ermöglicht. Dies kann völlig einfach und automatisch mit jedem Smartphone geprüft werden.

Authentic Vision ist besonders interessant für Produkte, deren Fälschung eine Gefahr für Leib und Leben (giftige Materialien in Kinderspielzeug, Medikamente) oder den persönlichen Besitz (Brandgefahr durch gefälschte Kabel, Aufladegeräte oder gefälschtes Motoröl) darstellt. Die Bandbreite der geschützten Produkte reicht von Kabeln wie HDMI (USA) über Netzwerkelektronik von Commscope (USA) über Autoersatzteile (ATQ) bis hin zu Nahrungsergänzungsmitteln wie Biogena (Österreich) bis hin zu Medikamenten (Biogena Japan).“

Das Besondere dieser Technologie made in Austria: dass sie nicht nur absolut fälschungssicher ist, sondern auch jeden Wettlauf zum Ausschalten der Technologie verhindert. „Fälscher versuchen täglich unsere Technologie zu umgehen“, so Weiß. „Was ihnen bis jetzt nicht gelungen ist, da die Technologie auf einem zufälligen Fingerabdruck aufbaut, den nicht einmal Authentic Vision selbst nachmachen kann. Vorteil der Technologie ist außerdem, dass wir in der Sekunde des Fälschungsversuches den genauen Ort sowie ein Bild des Fälschungsversuchs zur Verfügung haben, und damit sofort darauf reagieren können.“

Produktpiraterie, also das Fälschen von Design-Hightech oder anderen heiß begehrten Waren ist gegenwärtig ein großes Problem. Doch mit Fortschreiten des Online-Handels wird diese Kriminalität in den nächsten Jahren ein rasantes Wachstum erleben. Ziel der österreichischen Technologie Autentic Vision ist es, dass ihre streng vertrauliche und absolut sichere Fälschungstechnologie zum Standard der globalen Produktion wird. Denn auch die Fälscher werden weiterhin versuchen, bestehende Gesetze und auch Technologien zu umgehen. Sowohl die Zollfahnder also auch die österreichischen Sicherheitstechnologen werden auch in Zukunft alles daran setzen, den Kriminellen stets einen Schritt voraus zu sein.







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