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„Bestechung ist ein opferloses Delikt“

  • Rosemarie Pexa
  • 18. Nov.
  • 5 Min. Lesezeit

„Follow the money“ ist der Leitsatz der Ermittlerinnen und Ermittler im BAK.


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Chefinspektor Günter Steiner vom Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK), Referat 3.1. (Korruptionsermittlungen im privaten Sektor), ermittelt zu Bestechung im Geschäftsverkehr. Seine Berufslaufbahn führte ihn von der Wirtschaftspolizei Wien über die Einsatzgruppe D zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (EDOK) ins Bundesministerium für Inneres, wo er – nach 20 Jahren bei der Geldwäschemeldestelle (A-FIU) – seit 2013 im BAK tätig ist.

 

Kriminalpolizei: Ihr Spezialthema im BAK ist Bestechung im Geschäftsverkehr in Zusammenhang mit der Bezahlung von Erfolgsprovisionen. Zu wie vielen Fällen haben Sie in den letzten Jahren ermittelt?

Günter Steiner: In den letzten zehn Jahren waren es drei, vier große Fälle.

Um welche Summen geht es da?

Steiner: Bei den Fällen in meinem Ermittlungsbereich handelt es sich um Bestechung im Geschäftsverkehr, da dreht es sich immer um große Deals, um Vergaben in Millionenhöhe mit hohen Provisionen.

Kommen bei diesen großen Fällen auch kleinere „Gefälligkeiten“ vor?

Steiner: In der Wirtschaftskriminalität haben wir immer mehrere Ermittlungsstränge. Wir konzentrieren uns auf die wichtigen, die Strafhöhe und das Strafmaß bestimmenden Ermittlungsstränge, da haben kleinere Delikte weniger Priorität. Aber z. B. im Fall einer burgenländischen Bank hat es Listen mit Weihnachtsgeschenken gegeben, die sind auch vom BAK aufgearbeitet worden.

Wo verläuft die Grenze zwischen erlaubten Geschenken und einer strafbaren Bestechung?

Steiner: Erlaubt sind die drei „K“: Kaffee, Kugelschreiber und Klumpert. Bei einem Wert von hundert Euro steht man unter Umständen schon mit einem Fuß im Strafrecht. Es ist allerdings jeder Einzelfall gesondert zu prüfen, und letztlich entscheidet die Staatsanwaltschaft über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Bei der Annahme von Geschenken ist jedenfalls besondere Vorsicht geboten. Geld sollte unter keinen Umständen angenommen oder angeboten werden.

Gibt es Branchen, in denen Bestechung besonders häufig auftritt?

Steiner: Meine Fälle waren meist aus dem Bereich Bauwirtschaft, etwa Eisenbahnbau oder zuletzt der Bau einer Gaspipeline durch ein österreichisches Unternehmen. Es können alle Bereiche mit großen Vergaben betroffen sein, z. B. in den Fällen Eurofighter (Kampfflugzeuge) und OEBS (Bank­noten).

Wie laufen Ermittlungen zu Bestechung im Geschäftsverkehr ab?

Steiner: Am Beginn steht in der Regel eine qualifizierte Information, in letzter Zeit vermehrt durch Kronzeugen. Informationen bekommen wir auch im internationalen Austausch, durch Rechtshilfeersuchen, von der Geldwäschemeldestelle, durch Medienberichte, durch Zufallsfunde bei Hausdurchsuchungen und durch Betriebsprüfungen – diese Firmen fürchten die Finanz mehr als die Polizei. Wir erhalten auch Hinweise über die anonymen Hinweismeldestellen der WKStA und des BAK.

Die Herausforderung besteht darin, anhand der vorliegenden Informationen die Tatbestandsmerkmale der Korruptionsdelikte zu erkennen und in Berichtsform für die Justiz aufzubereiten.

Worauf sollte man als Ermittler besonders achten?

Steiner: Wenn von bestimmten Punkten drei bis vier gegeben sind, deutet das auf Bestechung hin. Ein zentrales Element ist etwa ein Beratervertrag, weil die Buchhaltung eine Rechnung braucht. Die Verträge haben immer eine ähnliche Überschrift, z. B. „Consulting Agreement“ oder „Service Agreement“.

Im Beratervertrag wird nur eine grundsätzliche Zusammenarbeit vereinbart, erst danach wird eine projektbezogene Zusatzvereinbarung mit Provision abgeschlossen. Die konkrete Leistung ist oft nicht angegeben. Es kommen Offshore-Konstruktionen zum Einsatz, weil die agierenden Personen den wirtschaftlichen Eigentümer verschleiern wollen. Beliebte Länder sind die Schweiz, Liechtenstein, Zypern, Singapur oder die Vereinigten Arabischen Emirate.

Wie wahrscheinlich ist es, dass Bestechung im Geschäftsverkehr aufgedeckt wird?

Steiner: Bestechung ist ein „opferloses Delikt“, das heißt, es ist weder vom Geber noch vom Nehmer eine Anzeige zu erwarten. Das Thema Bestechung ist beim Auftragnehmer als Geber positiv besetzt. Die Beraterverträge werden als vertriebsorientierte Verträge bezeichnet. Der Auftragnehmer bezahlt eine Erfolgsprovision („Success Fee“, „Commission“), was bedeutet, dass er kein wirtschaftliches Risiko trägt, da nur bei der Erlangung des Auftrags bzw. bei Eingang der Gelder für die Leistungen gezahlt wird. Die Provision ist oftmals im Angebot bereits einkalkuliert. In der Kalkula­tion scheint die Summe z. B. unter „nützliche Aufwendungen“ auf.

Beim Geber sind hochrangige Personen involviert, vom Prokuristen aufwärts, die Leitung ist eingebunden, da die „Agreements“ von Firmenverantwortlichen unterfertigt bzw. die Provisionsrechnungen sachlich geprüft und die Provisionszahlungen von ihnen freigegeben werden müssen.

Die Schwierigkeit besteht darin, dass das Geld meist nicht direkt vom Geber zum Nehmer fließt, sondern indirekt über mehrere Berater und Vermittler unter Einschaltung von „Offshore-Gesellschaften“ geschleust wird. Der Ermittler muss herausfinden, wer von den unrechtmäßigen Finanzflüssen profitiert, muss die Kette zwischen Geber und Nehmer schließen: „follow the money“.

Können Sie konkrete Fälle nennen, zu denen das BAK ermittelt hat?

Steiner: 2009 habe ich im Bundeskriminalamt begonnen, zu einem großen Unternehmen zu ermitteln. In Deutschland ist zu diesem Fall eine Sonderkommission gegründet worden, die zu schwarzen Kassen für „nützliche Aufwendungen“ ermittelt hat.

Wir haben die Geldflüsse in Österreich verfolgt. Es hat Zahlungen von Deutschland und Österreich über Treuhänder an Offshore-Konten in Zypern gegeben und von dort über Liechtenstein nach London und schließlich in die Schweiz. In Österreich hat ein ehemaliger Bankangestellter Gelder aus Zypern in bar behoben und in einem Geldkoffer über einen Berater dem Unternehmen zukommen lassen.

Gibt es noch weitere Fälle?

Steiner: Ja, z. B. den Fall einer großen Baufirma. Es ist um die Vergabe eines Auftrags zur Sanierung einer Bahnstrecke in Rumänien gegangen. Die Baufirma hat für ein einziges Baulos mit einem Auftragsvolumen von 250 Millionen Euro Provisionen bezahlt. Untersucht wurden Provisionsflüsse über 18 Millionen Euro. Die Abwicklung ist über mehrere Offshore-Firmen in Zypern, ein Schweizer Treuhandunternehmen und einen rumänischen Rechtsanwalt gelaufen. Der damalige rumänische Finanzminister, der in den Deal verwickelt war, ist in Rumänien zu acht Jahren Haft verurteilt worden.

Was war der letzte Fall, in dem Sie ermittelt haben?

Steiner: Zu dem Fall ist noch die Gerichtsverhandlung anhängig, daher kann ich keine Namen und genauen Daten nennen. Die korrupte Person in dem Unternehmen war der Leiter der Einkaufsabteilung. Er hat eine Provisionsvereinbarung für einen Auftrag in der Höhe von 50 Millionen Euro initiiert. Schon vor dem Vergabeverfahren hat es eine Kontaktaufnahme mit den Verantwortlichen des griechischen Lieferanten gegeben. Wie bei solchen Geschäften üblich, sind die Absprachen über Vermittler gelaufen – in diesem Fall über zwei italienische Personen unter Einschaltung einer libyschen Firma mit einer Kontoverbindung in Tunesien. Die Bestechungsgelder wurden schlussendlich auf ein Konto einer Offshore-Gesellschaft in Dubai überwiesen, bei welcher der Leiter der Einkaufsabteilung der wirtschaftliche Eigentümer war. Wir sind durch Zufallsfunde auf vier Ermittlungsstränge gekommen.

Welche Gesetze kommen bei solchen Fällen zur Anwendung?

Steiner: Bei Bestechung muss man zwischen öffentlichem und privatem Bereich unterscheiden. Im privaten Bereich § 309 StGB (Anm.: Geschenkannahme und Bestechung von Bediensteten oder Beauftragten), dazu kommt in aller Regel eine Prüfung auf Untreue und Geldwäscherei. Auch das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz spielt eine Rolle. (Anm.: ein Unternehmen kann als Verband belangt werden, wenn ein Entscheidungsträger im Unternehmen eine Straftat begangen hat.) Bestechung im Geschäftsverkehr ist auch ein Thema für die Finanz.

Spielt die OECD-Antikorruptionskonvention zur Bekämpfung von Bestechung im Auslandsgeschäft ebenfalls eine Rolle?

Steiner: Unmittelbar für die Ermittler im BAK nicht. Die Polizei hat immer schon international über Interpol und Europol agiert, jetzt macht es vermehrt auch die Justiz durch Europäische Ermittlungsanordnungen, die  oftmals von Eurojust koordiniert werden.

Tun Unternehmen etwas, um Bestechung vorzubeugen, z. B. durch die Einführung von Compliance-Programmen oder Whistleblower-Systemen?

Steiner: Ende 2010 ist Compliance das Thema geworden, auch bei Unternehmen – spätestens dann, wenn sie selbst einen Vorfall gehabt haben.

Derzeit ist die Wirtschaftslage in Österreich angespannt. Kann das zu mehr Bestechungsfällen führen?

Steiner: So etwas lässt sich immer nur rückblickend sagen. Die Sachverhalte werden meist erst Jahre später bekannt, deshalb haben wir auch oft ein Problem mit der Verjährung.

Was hat sich, rückblickend betrachtet, bei Bestechung im Geschäftsverkehr seit dem Beginn Ihrer Tätigkeit im BAK verändert?

Steiner: Kronzeugen und Whistleblower spielen eine größere Rolle. Die internationale Kooperation, vor allem in der Justiz, hat zugenommen.







 

 

 

 

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