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Tod im grauen Haus

  • Gerhard Brenner
  • 24. Aug.
  • 2 Min. Lesezeit
(Foto: Michael Buchner)
(Foto: Michael Buchner)

Die Nazis herrschten 369 Wochen lang in Österreich. Mehr als 1.200 Mal in dieser Zeit schlug das Fallbeil Verurteilten den Kopf ab. Im Landesgericht Wien, alserstraßenseitig befand sich dafür ein Raum, der 1938 von einem Lagerraum in einen Hinrichtungsraum umgebaut wurde – mit einem Abfluss für das Blut in der Raummitte, mit Fliesen, schulterhoch, damit die Wände vom Blut abgespritzt werden konnten, und einem Wasseranschluss für einen Schlauch.

Ab 1942 begann sich der Kriegsverlauf zu Ungunsten der Deutschen zu wenden. Das spiegelte sich im Wiener Landesgericht wider: Zwischen 1938 und 1942 wurden etwa 200 Menschen im Hinrichtungsraum enthauptet, in den nächsten drei Jahren waren es 1.000 – oft im Drei-Minuten-Takt bis zu über 30 Personen am Tag. Das „Abhören von Feindsendern“ reichte aus, um zum Tode verurteilt zu werden. Die meisten Todesurteile in dieser Zeit lauteten auf „Delikte“ wie „Hochverrat“, „Landesverrat“ oder „Wehrkraftzersetzung“. Die Särge für die Hingerichteten wurden in einen Nebenraum des Hinrichtungsraums geliefert. Die Leichen wurden teils ins Anatomische Institut Wien gebracht, teils direkt zum Zentralfriedhof, wo sie in der „Gruppe 40“ in Schachtgräber geworfen wurden. Die „Gruppe 40“ ist seit 2013 als Gedenkstätte eingerichtet.


Im ehemaligen Hinrichtungsraum des Landesgerichts wurde am Allerseelentag 1951 eine Gedenkstätte eingerichtet – knapp eineinhalb Jahre nachdem die Todesstrafe in der Zweiten Republik abgeschafft worden war. Am 8. Mai 1967, dem 22. Gedenktag an das Kriegsende, wurde die Gedenkstätte geweiht. An insgesamt 619 in diesem Raum getötete Menschen des österreichischen Widerstands gegen die Nationalsozialisten erinnern deren Namen an der Wand. 1993 wurden die Namen von 13 slowenischen Widerstandskämpfern und deren Unterstützern an der Wand des Hinrichtungsraums angebracht. Darunter befand sich ein 17-Jähriger. Er wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet, weil er mit Essen und Getränken Freunde versorgt hatte, die desertiert waren.

Die Dauerausstellung im Erdgeschoß des Landesgerichts trägt den Titel „Man kann sie direkt sterben hören“. Wenn das zehn Kilo schwere Fallbeil niederfiel, war der Aufschlag im gesamten Gefangenentrakt zu hören.


Zum Hinrichtungsort wurde das Landesgericht erst ab 1868. Bis dahin wurde die Todesstrafe öffentlich vollzogen, unter großer Beteiligung der Bevölkerung an der Spinnerin am Kreuz im heutigen 10. Wiener Bezirk. Hinrichtungen hatten Volksfestcharakter. Nach der letzten öffentlichen Exekution am 28. Mai 1868 wurden Todesstrafen im Galgenhof des Landesgerichts exekutiert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden im Landesgericht (damals „Volksgericht“) noch 100 Straftäter zum Tode verurteilt, 43 dieser Urteile wurden vollzogen. Bis 1948 wurden österreichweit 43 Nazi-Verbrecher zum Tode verurteilt, 30 dieser Urteile wurden ausgeführt, 25 davon im Wiener Landesgericht. Die letzte Vollstreckung einer Todesstrafe in Wien fand am 24. März 1950 statt.

Am 24. Mai 1950 beschloss der Nationalrat die Abschaffung der Todesstrafe im Strafrecht in einfacher Mehrheit in geheimer Abstimmung. Sie trat mit 1. Juli 1950 in Kraft. 1968 wurde die Todesstrafe auch aus dem Militärstrafrecht entfernt und ein „umfassendes Verbot der Todesstrafe“ im Verfassungsrang verankert. Weltweit verfügen drei Viertel der Staaten über ein Verbot der Todesstrafe, in Europa sind es alle Staaten mit Ausnahme von Belarus.










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