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Recht im grauen Haus

  • Gerhard Brenner
  • 24. Aug.
  • 2 Min. Lesezeit
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Die Festungsbauten der Frührenaissance waren Vorbilder für Johann Fischer, den Architekten des Landesgerichts Wien. Kaiser Franz I. hatte am 13. August 1831 den Auftrag zum Bau des Gebäudes erteilt, nachdem ihm Fischer zwei Jahre vorher seine Pläne vorgelegt hatte. Es sollte in einem Sicherheitsabstand zur Stadt entstehen, am Rande des „Glacis“, einem staubigen, verwilderten Gebiet rund um die heutige Wiener Innenstadt. Es war mehrere Hundert Meter breit und diente als Puffer gegen angreifende Armeen. 1839 war das Wiener Landesgericht fertiggestellt. 20 Jahre später erteilte Kaiser Franz Joseph I. den Auftrag zum Bau der Wiener Ringstraße. In den 1870er-, 1880er-Jahren rückte die Stadt näher zum Landesgericht.


Moderne Gerichtsorganisation.  Mit 1. Juli 1850 wurde in den meis­ten Kronländern der Monarchie eine moderne Gerichtsorganisation eingeführt. 1852 folgte ein neues Strafgesetz, 1874 eine neue Strafprozessordnung. 1870 bis 1878 wurde das Landesgericht erweitert, unter anderem entstand in einem Innenhof des Komplexes der Große Schwurgerichtssaal, mit Platz für 150 Personen plus 50 Plätze auf der Galerie. 1905 bis 1907 wuchs das Gebäude um ein Stockwerk in die Höhe. 1908 wurde am Hernalser Gürtel das k.u.k. Garnisonsgericht eingerichtet.

Mit dem Bundes-Verfassungsgesetz 1920 wurde die Militärgerichtsbarkeit in Österreich abgeschafft. Im „Grauen Haus“ wurde das Landesgericht für Strafsachen Wien I untergebracht („Einser-Landl“), am Hernalser Gürtel das Landesgericht für Strafsachen Wien II („Zweier-Landl“). Dort wurde zwischen 5. und 14. Juli 1927 der „Schattendorfprozess“ verhandelt. Der Freispruch dreier „Frontkämpfer“ führte zu Straßenprotesten und zum Brand des Wiener Justizpalastes. 89 Menschen starben bei den Kämpfen. 1933 führte Bundeskanzler Engelbert Dollfuß die Stände-Diktatur ein, 1938 marschierten die Nazis in Österreich ein. Das Landesgericht wurde zum „Volksgerichtshof“ und zum Werkzeug nationalsozialistischer Vernichtungspolitik. Im Großen Schwurgerichtssaal wurden ab 1944 Gasmasken produziert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Grauen Haus das Landesgericht für Zivilrechtssachen untergebracht, das Handelsgericht, der Jugendgerichtshof sowie das Landesgericht für Strafsachen Wien.

Am 8. Mai 1945 wurde das Verbotsgesetz beschlossen. Mit 12. Juni 1945 wurde das österreichische Strafrecht wiederhergestellt, und am 26. Juli 1945 erfolgte der Beschluss über das Kriegsverbrechergesetz. Der erste entsprechende Prozess in Wien wurde vom 14. bis 17. August 1945 im Großen Schwurgerichtssaal verhandelt. In Wien, Graz, Linz und Innsbruck kam es zu 23.477 Prozessen gegen Kriegsverbrecher mit 13.607 Schuldsprüchen. Insgesamt verlief die Ahndung von Kriegsverbrechen nicht sehr ambitioniert in Österreich. Alte Nazis bekleideten bald wieder Ämter, auch hohe Richterämter.


Das „Zweier-Landl“ am Hernal­ser Gürtel war im Krieg schwer beschädigt worden. Nach dessen Restaurierung wurde hier 1951 das Strafbezirksgericht Wien untergebracht. Es wurde 1997 aufgelöst.

Zwischen 1980 und 1996 wurde das Wiener Landesgericht restauriert und umgebaut: Die Gefangenenhaustrakte im Grauen Haus wurden abgerissen, entlang der Rückseite des Gebäudes in der Wickenburggasse wurde ein Verhandlungstrakt eingerichtet, mit 30 Verhandlungssälen. Derzeit wird das Graue Haus neuerlich restauriert.






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