Lesen, schreiben und ein guter Whisky!
- Herbert Windwarder
- 24. Aug.
- 6 Min. Lesezeit
Sehen Sie, kluge Leserin und schöner Leser (Copyright by Helmut A. Gansterer), gerade einen Artikel, den die KI in fünf Sekunden erstellt hat? Oder hat sich doch ein richtiger Mensch vor den PC gesetzt und „geblutet“?

Es gibt nichts zu schreiben. Man muss sich nur an die Schreibmaschine setzen und bluten." schrieb einst der große Ernest Hemingway. Was hätte er zu KI und Chat GPT gesagt? Ich denke, er hätte sie nicht als Bedrohung wahrgenommen, zu groß war sein Genie. Und er hätte vermutlich die Chance auf Arbeitserleichterung gesehen. Hemingway nahm gerne ein gutes Glas Whisky. Wenn die KI Zeit einsparen kann, bleibt mehr für den seelisch wichtigen Müßiggang übrig. Studien zeigen, dass die Jugend immer mehr Probleme hat, längere Texte sinnerfassend zu lesen. Von der Formulierung schöner verschlungener Schachtelsätze ist da noch keine Rede.
Erschreckend gut. Die KI könnte nun für all diese TikTok/Insta-Leseopfer die Rettung sein. Für Polizisten ist Lesen/Verstehen und richtiges Schreiben eine der wichtigsten Fähigkeiten. Wer die Anordnung der Staatsanwaltschaft, eine -zig Seiten lange Eingabe eines Anwalts oder eine meist ebenfalls -zig Seiten lange Dienstanweisung falsch interpretiert oder die Festnahmemeldung schlampig schreibt, hat – zurecht – ein veritables Problem.
Nun, die KI kann komplexe Texte ordnen und zusammenfassen. Ein befreundeter Journalist, der sicher keine Leseschwäche hat, machte kein Geheimnis daraus, dass für eine dringende Recherche ein mehrere hundert Seiten langer Bericht von der KI strukturiert und zusammengefasst wurde. Die Kontrolle dieser Conclusio muss natürlich beim Menschen bleiben, aber das stupide Durchbüffeln wird erheblich kürzer. Kollegen haben versuchsweise die KI mit Pseudodaten die Anregung für eine Telefonüberwachung formulieren lassen, und das Ergebnis war erschreckend gut. Die Gesetzesmaterie wurde richtig angewendet, da habe ich schon schlechtere Anlassberichte gelesen.
Gefährlich oder nicht? Die KI wird sich, im Gegensatz zum Elektroauto (wenn es einen lieben Gott gibt), durchsetzen, da hilft kein Wehklagen. Muss man Angst haben? Mir gefällt der Spruch „It would take a pretty stupid robot to replace me!“ Aber Spaß ohne, viele Berufe werden, mehr oder weniger stark, betroffen sein. Die KI kann sogar Röntgenbilder sicherer deuten als erfahrene Ärzte. Aber überall wo der menschliche Faktor eine Rolle spielt, kann sie gegen das Original nur verlieren. Und es gibt kaum einen Beruf, in dem es mehr menschelt, als der des Polizisten. Wir haben eine über Tausende Jahre entwickelte Sensorik, unser Gegenüber einzuschätzen. Und darauf richtig zu reagieren, schließlich hing davon unser Überleben ab. Wobei, diese Sensorik nimmt durch die Reduzierung der persönlichen Kontakte, der Gespräche, gerade den gleichen Weg wie die Handschrift. Zawos brauch‘ i des?
Verkaufen können. Kurznachrichten und Emojis haben die Form der Kommunikation stark verändert. Die Ausbildung der jungen Kollegen muss sich deshalb in Zukunft noch mehr darauf konzentrieren. Das Auswendiglernen von Paragraphen kann man ja reduzieren, am Diensthandy kann jederzeit alles nachgeschlagen werden. Ein guter Polizist sollte verbal eine Mischung aus Pfarrer und Gebrauchtwagenhändler drauf haben. Die Gesetze zu kennen ist wichtig. Das Gegenüber genau in seiner mentalen Verfassung abzuholen und angemessen zu kommunizieren, ist die hohe Schule. Als Polizist arbeitest du mit der gesamten Bandbreite der Bevölkerung. Und man muss dem Herrn Doktor genauso verständlich beibringen, warum genau diese Straße genau jetzt gesperrt ist, wie man dem Schwerkriminellen hoffentlich „verkaufen“ kann, warum genau jetzt ein Geständnis für ihn günstig wäre.
Ungeschriebene Gesetze! Die KI ist nur so gut, wie die Quellen, auf die sie zurückgreifen kann. Google weiß viel, aber wenn es um die Einschätzung von Charakterzügen oder -schwächen geht, wenn es um die richtige Deutung von Mimik und Gestik geht, erschwert um kulturelle Besonderheiten, wird das Ergebnis nicht berauschend sein. Der Streber hat auch nicht das schönste Mädchen in der Klasse bekommen, man muss auch die vielen ungeschriebenen Gesetze kennen. Nun, bevor wir abschweifen, können wir uns hoffentlich auf eine positive Aussicht einigen: Die KI wird auch unsere Arbeit verändern, sie wird uns von manch stupider Tätigkeit befreien, wo dann auch Arbeitsplätze gefährdet sind. Überall wo der Homo Sapiens in der ursprünglichen Form und korrekten Übersetzung als „verständiger Mensch“ gefragt ist, werden gute Mitarbeiter mehr denn je gefragt sein. Und für Führungskräfte gilt das ganz besonders. Die KI weiß theoretisch von Gruppendynamik, in einer speziellen Situation die richtigen Worte zu finden, ist eine ganz andere Herausforderung. Deshalb werte KollegenInnen, fördern wir unsere ganz speziellen Fähigkeiten! Schon Karl Mahrer hat immer wieder gesagt: „Wir sind eine lernende Organisation!“. Wie ist eure Einschätzung zur KI im Polizeidienst, wir freuen uns über Leserbriefe und Rückmeldungen!
Totgeburt. Bei diesem Thema wissen wir schon sicher, dass es ziemlich in die Hose gegangen ist. Die Koalition hat sich nach langem Ringen auf einen Entwurf zur lange geforderten Messengerüberwachung geeinigt. Natürlich, eine Koalition lebt von Kompromissen und die politischen Ansichten von Türkis, Rot und Pink sind gerade bei diesem Punkt sehr divergierend. Bei allem Verständnis, als Kriminalist kann man das geplante Gesetz nur als Totgeburt bezeichnen. Es beschränkt sich auf Terrorismus und Extremismus, man muss DSE-Direktor Haijawi-Pirchner zur guten Lobbyarbeit gratulieren! Aber: Die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität blieb komplett außen vor.
Arzt ohne Röntgen. Die Optimisten sehen es als Schuh in der Türe, als Beginn. Wenn es gut läuft und die diffuse Angst vor einem Missbrauch entkräftet werden konnte, dann kann die Einsatzbreite erhöht werden. Ja, könnte. Ich bin sehr skeptisch, da die Einwände von den üblichen Verdächtigen primär über die Gefühlsebene der Bürger gespielt werden. Und ich denke nicht, dass diese üblichen Verdächtigen in drei Jahren plötzlich ihre Einwände vor dem „Überwachungsstaat“ aufgegeben haben. Provisorien können in Österreich sehr alt werden. Die Überwachung von Kommunikation ist für die Kriminalpolizei ein essentielles Werkzeug und sie war bis vor wenigen Jahren in jedem Rechtsstaat selbstverständlich und alternativlos. Natürlich immer bei Vorliegen eines schwerwiegenden Verdachts und nur über richterliche Anordnung. Der moderne Rechtsstaat hat mehrere Kontrollinstanzen. Deshalb müsste sich niemand fürchten, und das sollte auch jede im Parlament vertretene Partei wissen. Eine Kriminalpolizei ohne Überwachungsmöglichkeit der Kommunikation ist wie ein Mechaniker ohne Diagnosegerät, wie ein Arzt ohne Röntgengerät, wie ein Journalist ohne Nachrichtenagenturen. Man tappt im Dunklen und die anderen möglichen Maßnahmen verlieren auch an Wert, weil man die Erkenntnisse nicht gegenchecken kann.
Supernackt. Egal ob Infos von Vertrauenspersonen oder Beobachtungen aus Observationen, ohne die grundsätzlichen Erkenntnisse einer Telefonüberwachung fehlen dem Puzzle die wichtigsten Teile. Was auch immer gerne verschwiegen wird, die Polizei sammelt genauso entlastendes Material. Wenn eine Person vom Partner oder einem Widersacher unschuldig angezeigt wird, werden die Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung dabei helfen, die Unschuld zu beweisen und das Verfahren kann guten Gewissens eingestellt werden. Und es war auch bisher so, Gespräche aus Überwachungen, die mit dem Gegenstand der Ermittlungen nichts zu tun hatten, blieben vertraulich. Wenn solche Unterhaltungen trotzdem an die Öffentlichkeit kamen, dann nie über die Polizei oder Justiz, sondern entweder über beteiligte Anwälte oder Politiker, gerne bei U-Ausschüssen. Ich sehe auch hier den Grund für das besondere Interesse mancher Personen am Handy von Christian Pilnacek, zu gerne hätte man ein paar desavouierende Nachrichten gefunden. Die Polizei interessiert sich für Fakten, die zu einer Anklage führen können, nicht für politischen Tratsch.
Künstliche Hürden. Es ist zu befürchten, dass die Latte für den Einsatz des Bundestrojaners so hoch gelegt wird, dass er in der praktischen Arbeit keine wirkliche Rolle spielen wird. So ein ähnliches Schicksal wie beim großen Lauschangriff, der aus mehreren Gründen in so homöopathischen Dosen zur Anwendung kommt, dass das Ergebnis bei Festnahmen, Sicherstellungen und Verurteilungen überschaubar bleibt.
Ganz anders läuft es bei den Observationsgruppen, den Verdeckten Ermittlern oder den geknackten Kommunikationsdaten der SOKO Achilles. Hier kommt es quasi jede Woche zu Festnahmen von Capos der OK, der Sicherstellung nennenswerter Mengen Suchtmittel und zu hohen Freiheitsstrafen. Diese Maßnahmen sind vom rechtlichen und dem internen Aufwand so angelegt, dass sie praxistauglich sind. Der Rechtsstaat ist trotzdem auf höchstem Level gesichert, angefochtene Urteile wurden in der Regel vom Höchstgericht bestätigt.
Und mir ist kein Fall bekannt, wo eine polizeiliche Maßnahme als rechtswidrig beurteilt wurde. So funktioniert die Kriminalpolizei, mit künstlichen Hürden werden nur die Täter geschützt.
Steter Tropfen... Es wird also die Aufgabe unserer Vertreter sein, immer wieder auf die Notwendigkeit der OK-Überwachung hinzuweisen, aber sich auch mit den Kritikern und Besorgten zusammenzusetzen, und die irrationalen Ängste vor dem „gläsernen Bürger“ mit Fakten zu widerlegen. Interessanterweise kämpft auch die größte Oppositions- und selbsternannte Sicherheitspartei von Ex-Innenminister Kickl vehement gegen die Messengerüberwachung. Was soll ich sagen? Die Überwachung einer Finca in Ibiza fällt eher unter „Lauschangriff“, da wird also der falsche Baum angebellt. Was ich mir von blauer Seite fairerweise erwarten würde, wäre ein gangbarer Vorschlag, wie die Kriminalpolizei sonst zu den dringend benötigten Informationen kommen soll? Nur „nein“ sagen kann man sich zwar als Opposition leisten, aber es beweist nicht unbedingt Problemlösungskompetenz. Nicht der einzige blaue Polizei-Fauxpas im Moment, aber zum Thema „Parlamentarische Anfrage in der Causa Pilnacek“ kommen wir beim nächsten Mal.
Kriminalisten Award. Zum Abschluss noch etwas sehr Positives! Die Reaktion auf unseren Award „Kriminalist des Jahres 2025“ war überwältigend, wir haben eine Rekordzahl von Vorschlägen aus ganz Österreich bekommen. Die schlechte Nachricht: Wir können trotzdem nur drei Teams, ein Lebenswerk und einen Newcomer im Wiener Rathaus ehren. Die Auswahl war schwierig wie nie und kann auch nicht gerecht sein. Da tritt das Bundeskriminalamt gegen Kriminaldienst-Ermittler auf Bezirksebene an (die trotzdem sehr gute Chancen haben), Gewalt gegen Wirtschaft, Suchtgift gegen Betrug, etc. Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen, und im Namen unseres gesamten Vorstandes unter Präsident Mag. Alfred Ellinger unsere höchste Wertschätzung für alle Teilnehmer zum Ausdruck bringen! Es lacht das Herz jedes Kriminalisten wenn man lesen kann, mit wieviel Ausdauer, Geschick und Engagement weit über das Erwartbare hinaus gearbeitet wird! Und es ergeht unsere Bitte an alle Dienststellenleiter, die beteiligten Mitarbeiter zu herzen und zu fördern!
Österreichs Polizei ist international ganz vorne dabei und das liegt vor allem an den noch motivierten Polizistinnen und Polizisten. Da kann uns die KI in hundert Jahren nicht das Wasser reichen!
Meinungen und Leserbriefe, auch
vertraulich, bitte an: krimi@aon.at
Kommentare