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  • Rosemarie Pexa

Erpressung mit Nacktbildern

Die Fälle von Sextortion bei Jugendlichen häufen sich. Rat auf Draht gibt Präventionstipps.


Die Zeit, die junge Menschen vor dem Bildschirm verbringen, hat seit der Pandemie deutlich zugenommen – und nicht immer geht es dabei „jugendfrei“ zu. Bereits unter 14-Jährige versuchen sich im Sexting, dem Verschicken eigener pornographischer Aufnahmen über das Internet. Davon profitieren Erpresser, die sich als willige Partner beim Austausch freizügiger Bilder präsentieren. Bei Sextortion drohen die Täter, die kompromittierenden Aufnahmen zu verbreiten, sollte man ihren Geldforderungen nicht nachkommen.

Dass sich Sextortion-Fälle häufen, von denen Jugendliche betroffen sind, zeigen die diesbezüglichen Anfragen bei Rat auf Draht – sie sind im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2022 um 39,05 Prozent von 105 auf 146 angestiegen. Die Beratungsstelle bietet Erpressungsopfern konkrete Hilfestellungen und informiert auf ihrer Website über Präventionsmaßnahmen sowie über neue On­line-Tools, die eine Veröffentlichung von Nacktaufnahmen auf bestimmten Plattformen verhindern können.


Kontaktaufnahme. Um zu vermeiden, dass man selbst Opfer von Sextortion wird, ist es laut Rat auf Draht wichtig, die Vorgehensweise der Erpresser zu kennen. Diese läuft immer nach dem gleichen Muster ab: Ein (männlicher oder weiblicher) Täter, der sich als Mädchen oder junge Frau, seltener als männlicher Chatpartner, ausgibt, nimmt über Social Media mit dem potentiellen Opfer Kontakt auf. Häufig werden dafür Snapchat, WhatsApp, Instagram, Facebook, aber auch Online-Games genutzt. Der Täter lenkt die Konversation in eine erotische Richtung und schlägt vor, Nacktbilder auszutauschen oder sich vor der Videokamera nackt zu präsentieren, oft auch, sexuelle Handlungen an sich selbst vorzunehmen.

Die Alarmglocken sollten läuten, wenn jemand, den man erst seit Kur­zem aus dem Internet kennt, schon bald auf Sexuelles zu sprechen kommt oder gleich in einen Videochat wechseln möchte. Befindet man sich bereits in einem Videochat mit einer kaum bekannten Person und beginnt diese sich auszuziehen, ist es höchste Zeit, die Videokamera auszuschalten. Auf keinen Fall sollte man der Aufforderung nachkommen, sich selbst bei laufender Kamera seiner Kleidung zu entledigen.


Drohungen. „Viele Jugendliche gehen darauf ein, weil es aufregend ist und sie sich sicher fühlen, da sich ja beide Seiten intim zeigen“, erklärt Birgit Satke, Leiterin von Rat auf Draht. Kommt ein Jugendlicher den Wünschen seiner Chatpartnerin nach, speichern die Täter die Aufnahmen. Das Opfer erhält eine Nachricht, in der es aufgefordert wird, einen bestimmten Geldbetrag – meist 300 bis 500 Euro – innerhalb eines kurzen Zeitraums über einen Geldtransferdienstleister zu überweisen. Die Erpresser drohen, die Fotos bzw. Videos bei Nichtbefolgen zu veröffentlichen und an die Social-Media-Kontakte des Betroffenen weiterzuleiten.

Manchmal erstellen die Täter auch eine Instagram-Gruppe, fügen einige Personen aus der Freundesliste des Opfers hinzu und drohen, die Aufnahmen dort zu posten. Oder die Erpresser schicken dem Opfer eine E-Mail mit einem Zugangscode bzw. Link zu einem noch nicht öffentlich zugänglichen YouTube-Video, bei dem es sich um die kompromittierende Aufnahme aus dem Chat handelt. Bezahlt der Betroffene nicht, soll das Video für alle öffentlich freigeschaltet werden.

Neu ist laut Satke, dass die Täter ihrer Drohung gleich zu Beginn Nachdruck verleihen: „Früher wurde etwas zugewartet, jetzt werden oft umgehend nach der Bekanntgabe der Erpressung Bilder an eine oder mehrere Personen aus dem Bekanntenkreis der Betroffenen geschickt, um die Ernsthaftigkeit des Unterfangens zu untermauern.“ Besonders häufig landen die Aufnahmen auf Snapchat oder Instagram. „In vielen Fällen wird der Erstkontakt auf Snapchat hergestellt. Das Gespräch sowie die nachfolgende Erpressung finden dann oft auf Instagram statt. Die Erpresser fordern auch aktiv auf, den Kanal zu wechseln“, so Satke.


Nicht bezahlen. Wenden sich Jugendliche, die Opfer von Sextortion geworden sind, an Rat auf Draht, empfehlen die Berater, den Forderungen der Erpresser nicht nachzukommen. Erfahrungen zeigen, dass die Überweisung der gewünschten Summe nicht vor einer Veröffentlichung schützt. Oft verlangen die Täter weitere Zahlungen, sobald sie das Geld erhalten haben. Auch der Versuch, die Erpresser durch verhandeln, bitten oder drohen von ihrem Vorhaben abzubringen, sind zum Scheitern verurteilt. Stattdessen sollten Betroffene den Kontakt sofort abbrechen.

Wichtig ist es, sämtliche Beweise für die Erpressung zu sichern, etwa Screenshots von Chats mit den Tätern. Bei einer Anzeige kann dieses Material dazu beitragen, die Erpresser auszuforschen. Da sich von Sextortion Betroffenen meist für ihre Handlungen schämen und es insbesondere für Jugendliche oft eine große Hürde darstellt, sich an die Polizei zu wenden, bietet Rat auf Draht Informationen zum Erstatten einer Anzeige an. Die Beratungsstelle empfiehlt, sich von einer erwachsenen Vertrauensperson begleiten zu lassen.


Veröffentlichung verhindern. Auf der Website von Rat auf Draht findet sich eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie man mit dem speziell für unter 18-Jährige konzipieren Online-Tool „Take it down“ verhindern kann, dass Nacktbilder oder Videos auf bestimmen Plattformen veröffentlicht werden. Das Tool funktioniert bei Anwendungen, die keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aufweisen, etwa Instagram, TikTok, Facebook, Onlyfans, Pornhub, Clips4Sale oder Yubo.

Zur Nutzung von „Take it down“ ist es erforderlich, dass die Aufnahmen noch auf einem Gerät gespeichert sind. „Wenn man dieses Service nutzen will, wird ein digitaler Fingerabdruck von dem Foto oder Video auf dem Gerät erstellt und an den Dienst übermittelt, der es den Onlineplattformen ermöglicht, intime Bilder oder Videos zu identifizieren und eine Veröffentlichung zu verhindern“, erklärt Satke. Die Aufnahmen selbst werden nicht hochgeladen.


Meldung erstatten. Sind Nacktbilder oder -videos bereits auf einer Onlineplattform veröffentlicht worden, ist eine Meldung nach dem Kommunikationsplattformengesetz das Mittel der Wahl. Das Gesetz schreibt den Betreibern großer Onlineplattformen vor, dass sie in Österreich strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden löschen müssen. In unklaren Fällen haben die Betreiber sieben Tage Zeit, die gemeldeten Inhalte zu überprüfen. Auf der Homepage von Rat auf Draht stehen konkrete Anleitungen, wie man eine Meldung durchführt. Gibt es Probleme, kann Rat auf Draht durch einen direkten Kontakt zu Ansprechpartnern bei Instagram, Snapchat, Youtube, Facebook, Twitter oder ask.fm unterstützen.

Die größte Angst der betroffenen Jugendlichen besteht meist darin, dass sie im Freundeskreis auf veröffentlichte intime Bilder angesprochen werden. Auch auf diesen „Worst Case“ kann man sich laut Rat auf Draht vorbereiten, indem man sich schon im Vorhinein überlegt, was man antworten könnte. Wer nicht den Mut hat zuzugeben, auf diese Art von Erpressung hereingefallen zu sein, dem wird auf der Website der Beratungsstelle zu einer kleinen Schwindelei geraten: Manche Betrüger arbeiten tatsächlich damit, den Kopf aus einer „harmlosen“ Aufnahme auf einen fremden nackten Körper zu platzieren – daher könnte man ja „sagen, dass es gar kein echtes Bild (...) ist, sondern eine Fotomontage.“










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