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Rosemarie Pexa

Die Tricks der Scheinunternehmen

Dubiose Geldflüsse bringen die Finanzpolizei auf die Spur der Betrüger.



In der Wirtschaft herrscht Krisenstimmung. Meldungen über Firmeninsolvenzen stehen auf der Tagesordnung, die Arbeitslosigkeit steigt. Ein „Geschäftszweig“ dagegen boomt nach wie vor: der Betrug mit Hilfe von Scheinunternehmen. Nachdem die Finanzpolizei in den letzten Jahren große Erfolge im Kampf gegen Abgaben- und Sozialbetrug verzeichnen konnte, ist sie nun mit neuen Tricks konfrontiert.

Aber auch gegen diese weiß sich die Finanzpolizei zu helfen: „2023 haben wir 152 Scheinunternehmen vom Markt genommen – das ist ein All-    Time-High“, so der Leiter der Finanzpolizei Hofrat Wilfried Lehner, MLS. Im Vorjahr führte die Finanzpolizei in ihren Zuständigkeitsbereichen Arbeitsmarkt und Glücksspiel 26.850 Kontrollen durch. Von 51.356 kontrollierten Arbeitnehmern waren 4.998 nicht ordnungsgemäß zur Sozialversicherung angemeldet und 3.452 ohne Arbeitserlaubnis illegal tätig. Bei 4.147 Personen wurden Übertretungen des Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetzes festgestellt, 204 Personen traf man trotz Arbeitslosengeldbezugs arbeitend an. Die Finanzpolizei beantragte Strafen in der Höhe von 23,7 Millionen Euro, der mit 20,1 Millionen Euro überwiegende Anteil resultierte aus Arbeitsmarktkontrollen.

Unter den Branchen, in denen Scheinunternehmen besonders häufig aktiv sind, führen Bau- und Baunebengewerbe. Ebenfalls stark betroffen sind die Reinigungs- und die Sicherheitsdienstleistungsbranche. Sowohl bei den Betreibern der Scheinunternehmen als auch bei den Angestellten, die illegal beschäftigt sind bzw. für die nicht die entsprechenden Abgaben entrichtet werden, handelt es sich praktisch ausschließlich um Personen mit Migrationshintergrund.

 

Teilzeitschwarzbeschäftigung. Eine Form des Steuer- und Sozialbetrugs, bei dem Scheinunternehmen eine wesentliche Rolle spielen, ist Teilschwarzbeschäftigung. „Ein Unternehmen meldet seine Angestellten bei der Österreichischen Gesundheitskasse als Teilzeitkräfte bzw. geringfügig Beschäftigte an – oder als Hilfsarbeiter, die nur 1.300 Euro verdienen, obwohl es sich tatsächlich um Facharbeiter handelt“, schildert Lehner. Das Unternehmen bezahlt daher wesentlich weniger an Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben, als es bei Vollzeitbeschäftigten bzw. qualifizierten Arbeitskräften der Fall wäre. Die Angestellten bekommen einen Teil ihres Lohnes in bar schwarz ausbezahlt.

Damit dieses Betrugsmodell funktioniert, müssen für die Beträge, welche die Angestellten als Schwarzlohn erhalten haben, andere Betriebsausgaben in der Buchhaltung aufscheinen. Hier kommt das Scheinunternehmen ins Spiel, das fiktive Rechnungen ausstellt. Diese werden tatsächlich per Überweisung beglichen. Allerdings behebt das Scheinunternehmen das Geld gleich wieder und erstattet es – abzüglich einer „Unkostenpauschale“ – als Kick-Back-Zahlung an das erste Unternehmen in bar zurück.

Die „auffälligen“ Barbehebungen sind die Schwachstelle des Betrugs mittels Teilschwarzbeschäftigung, so Lehner: „Es gibt keinen wirtschaftlichen Grund, warum ein Unternehmen hunderttausende Euro in bar von seinem Firmenkonto abhebt. Im regulären Geschäftsbereich existieren de facto keine Barlohnzahlungen mehr, in der Baubranche ist es sogar verboten, Löhne in bar auszuzahlen. Das gilt auch für Rechnungen über 500 Euro, zum Beispiel  für Material.“

Zum Sozialbetrug kommt bei Teilzeitschwarzbeschäftigung auch Sozial­leistungsbetrug, wenn die offiziell nur geringfügig beschäftigten Personen Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe beziehen. Aufgrund ihres geringen Einkommens erhalten sie Transferleistungen wie Wohnbeihilfe oder nach dem Antritt der Pension eine Ausgleichszulage. Dazu kommen die Befreiung von der Rezeptgebühr, der ORF-Haushaltsabgabe und dem Serviceentgelt für die E-Card.

 

Betrugsfall Reinigung. Die Finanzpolizei konnte einen Fall aus der Reinigungsbranche aufdecken, der auf diesem Betrugsmodell beruhte. Alle Angestellten des Reinigungsunternehmens waren geringfügig beschäftigt und bezogen Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Der Lohn für jene Arbeitsstunden, die zusätzlich zu den gemeldeten geleistet wurden, erhielten die Angestellten bar ausbezahlt. Laut Lehner ergab sich daraus die folgende „Ertragsrechnung“: „550 Euro für die geringfügige Beschäftigung plus rund 1.000 Euro Notstandshilfe plus 1.500 Euro Schwarzlohnzahlung sind 3.000 Euro Nettoverdienst zuzüglich diverser Befreiungen und Wohnbeihilfe.“

Die Finanzpolizei führte Hausdurchsuchungen bei dem Reinigungsunternehmen durch und fand dabei auch Lohnzettel sowie Barauszahlungslisten, die als Beweismittel dienten. „Eine Angestellte hat laut Lohnzettel als geringfügig Beschäftigte legal einen Stundenlohn von 7 Euro bekommen. Wenn eine Firma ein Reinigungsunternehmen beauftragt, wird ihr eine Stundenhonorarleistung von 21, 22 Euro in Rechnung gestellt. Das Reinigungsunternehmen hat aber nach diesem Betrugsmodell nur einen Aufwand von 7 Euro, mit den Kosten für das Scheinunternehmen sind es rund 10 Euro. Das ist ein Rohaufschlag von 100 Prozent, so eine Gewinnmarge kann man legal nicht erzielen“, erklärt Lehner.


Wilfried Lehner: „2023 haben wir 152 Scheinunternehmen vom Markt genommen – das ist ein All-Time-High.“

Anzeigen. Deckt die Finanzpolizei ein Scheinunternehmen auf, wird ein Scheinunternehmensbescheid ausgestellt. „Das betroffene Unternehmen wird auf die Liste der Scheinunternehmen auf der Homepage des Finanzministeriums gesetzt“, so Ministerialrat Helmut Wiesenfellner vom Bundesministerium für Finanzen. In der Folge löst das Firmenbuchgericht das Scheinunternehmen auf. Angestellte des Unternehmens, die zu Unrecht Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder andere Sozialleistungen bezogen haben, erhalten eine Anzeige wegen Sozialleistungsbetrugs. Die Anzahl der Anzeigen hat sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt: von 76 im Jahr 2022 auf 159 im Vorjahr.

Wegen Sozialleistungsbetrugs und als Beitragstäter für Scheinunternehmen wurde auch ein Mann angezeigt, den Lehner als „Gründungshelfer“ für Scheinunternehmen bezeichnet. Im Zuge von Umfeldermittlungen stieß die Finanzpolizei mehrmals auf den Namen des Mannes, der als Mieter von Wohnungen aufschien, welche er an Scheinunternehmen weitervermietete und dabei gut verdiente. Der Mann, der bereits aufgrund einer Verurteilung wegen Sozialleistungsbetrugs aktenkundig war, bezog als Langzeitarbeitsloser Transferzahlungen.

 

Geldflüsse. Der entscheidende Hinweis auf ungewöhnliche Geldflüsse in Zusammenhang mit Scheinunternehmen kommt oft von Banken, die dann bei der Geldwäschemeldestelle im Bundeskriminalamt eine Meldung erstatten. „90 Prozent der Meldungen an die Geldwäschemeldestelle kommen von Banken. Die Geldwäschemeldestelle gibt die Verdachtsmeldungen an jene Behörden weiter, in deren Zuständigkeit die jeweils vermutete Vortat fällt, das sind 3.000 bis 4.000 pro Jahr. An die Finanzpolizei werden die Fälle weitergeleitet, bei denen anzunehmen ist, dass die Vortat im steuerlichen Bereich liegt“, erläutert Wiesenfellner. Jährlich sind das etwa 450 bis 600 Fälle.

Diese Zahlen zeigen, in welcher Größenordnung sich der Betrug mit Scheinunternehmen bewegt. „Über Scheinunternehmen werden Millionenbeträge abgewickelt, laut Hochrechnung sind es rund 800 Millionen Euro in Barbehebung. Das ist budgetwirksam, schädlich für die betroffenen Wirtschaftssektoren sowie das Sozialsystem und verzerrt den Wettbewerb“, stellt Lehner fest. Legale Unternehmen würden an den Rand und in Nischen gedrängt, in denen mehr Know-how und Technik erforderlich ist, beispielsweise bei der Tatortreinigung.

 

Kooperationen. Zur Bekämpfung von Sozialbetrug wurde 2016 das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) erlassen, das eine engere Zusammenarbeit zwischen mehreren Kooperations- und Informationsstellen vorsieht. Dazu zählen die Finanzstraf- und Abgabenbehörden des Bundes ebenso wie die Sicherheitsbehörden sowie unter anderem auch Krankenversicherungsträger, Arbeitsinspektion und AMS. Die Kontaktaufnahme erfolgt über die Sozialbetrugsbekämpfungsbeauftragten der Kooperationsstellen. In Wien ist von polizeilicher Seite der Ermittlungsbereich 04 Wirtschaftsdelikte des LKA zuständig.

Anfang 2019 wurde die vom Bundeskriminalamt geleitete Task Force Sozialleistungsbetrug (SOLBE) ins Leben gerufen, an deren Treffen neben Polizei und Finanzpolizei auch Finanzamt, Arbeitsmarktservice, Sozial- und Pensionsversicherungsanstalten teilnehmen. „Die Task Force hat bei den Akteuren in den verschiedenen Behörden ein erhöhtes Bewusstsein dafür geschaffen, wie leicht sich Sozialleistungsbetrugs-Szenarien verwirklichen lassen. Erfolge der Task Force sind schnellere Meldungen und mehr Zusammenarbeit“, so Lehner.

Die Voraussetzung dafür, dass die Kooperation zwischen den Akteuren in der Praxis funktioniert, ist für Lehner das wechselseitige Verständnis. Jede Behörde bzw. Organisationseinheit habe einen anderen Blickwinkel auf Sozial- und Sozialleistungsbetrug, eine andere Herangehensweise, zum Teil auch andere Fachbegriffe. Um die Sichtweise des jeweils anderen besser nachvollziehen zu können, sind Schulungen, z. B. für die Finanzpolizei durch die Kriminalpolizei oder umgekehrt, das Mittel der Wahl. Wichtig ist auch, persönliche Kontakte zwischen den Behördenvertretern aufzubauen.

Derzeit setzt sich eine Arbeitsgruppe mit legistischen Verbesserungen bei der Bekämpfung von Scheinunternehmen auseinander. „Ein Maßnahmenpaket befindet sich in Abstimmung und soll noch vor der Nationalratswahl umgesetzt werden“, so Wiesenfellner. Da durch Scheinunternehmen gesamtgesellschaftlich hohe Schäden entstehen, sei es wichtig, rasch zu handeln.

 









 

 

 

 

 

 

 

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