Drogenkonsum stabil
- Rosemarie Pexa
- 22. Apr.
- 5 Min. Lesezeit
Die Lage ist gleichbleibend – bis auf den Anstieg bei Kokain und riskante Konsummuster bei jungen Menschen.

Bei der Präsentation der aktuellen Berichte zu illegalen Drogen, Alkohol und Tabak am 29. Jänner 2025 blieben große Überraschungen aus – aber es zeigte sich, welche Entwicklungen man im Auge behalten sollte. Die Situation in Österreich stellt sich weitgehend stabil dar, allerdings steigt der Kokainkonsum weiter an, und junge Menschen riskieren durch riskante Konsummuster ihr Leben.
Dr. Martin Busch, Abteilungsleiter des Kompetenzzentrums Sucht der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG), des nationalen Forschungs- und Planungsinstituts für das Gesundheitswesen, stellte den Bericht zur Drogensituation 2024 und den Epidemiologiebericht Sucht 2024 vor. Cannabis ist nach wie vor die mit Abstand am häufigsten konsumierte illegale Droge, gefolgt von Kokain und Opioiden. Häufig liegt ein Mischkonsum vor, der besondere gesundheitliche Risiken birgt.
Cannabis. Betrachtet man den Zeitraum ab 2010, hat mindestens jeder fünfte Österreicher Cannabis konsumiert, das geht aus den Repräsentativerhebungen zu Konsum- und Verhaltensweisen mit Suchtpotenzial der österreichischen Wohnbevölkerung von 15 bis 64 Jahren und dem Wiener Suchtmittelmonitoring der Wohnbevölkerung ab 15 Jahren hervor. Seit dem Beginn der 2000er-Jahre steigt der Anteil konsumerfahrener Personen leicht an. Die letzten beiden Erhebungswellen in Wien weisen dagegen wieder auf einen leichten Rückgang des Cannabiskonsums hin.
Von den befragten Schülern gab rund ein Fünftel an, bereits einmal Cannabis konsumiert zu haben. Diese Rate ist bei Burschen etwas höher als bei Mädchen. Die letzte österreichweite repräsentative Erhebung zu Konsum- und Verhaltensweisen mit Suchtpotenzial wurde in drei Wellen von 2020 bis 2022 durchgeführt. Sie weist für Personen im Alter von 15 bis 24 Jahre eine Lebenszeitprävalenz von 24 Prozent, eine Jahresprävalenz von 17 Prozent und eine Monatsprävalenz von sieben Prozent aus. Sämtliche Werte sind etwas niedriger als jene der Erhebung im Jahr 2015. Der Cannabiskonsum ist in der Regel auf eine kurze Lebensphase in der Jugend und im jungen Erwachsenenalter beschränkt.
„Cannabis und Cannabisprodukte werden mit synthetischem Cannabis versetzt, das eine viel stärkere psychotrope Wirkung hat als die natürliche Substanz. Das synthetische Cannabis wird draufgesprüht und ist in einer Packung oft ungleich verteilt, was den Konsum risikoreicher macht“, beschreibt Busch eine besorgniserregende Entwicklung. Die Häufigkeit von Überdosierungen und Vergiftungen steigt dadurch. Der Trend zu synthetischen Cannabinoiden wird durch die Untersuchungen von Cannabisproben bei checkit! und durch Sicherstellungen der Polizei bestätigt.
2023 befanden sich österreichweit knapp 2.500 Personen ausschließlich wegen Cannabiskonsums in Betreuung durch eine Einrichtung der Suchthilfe. Analysen aus den Jahren 2012 und 2017 zeigen, dass nur etwa ein Drittel der Betreuten vor Behandlungsbeginn hochfrequent Cannabis konsumiert hatten. Busch sieht dafür folgenden Grund: „Konsumenten mit der Leitdroge Cannabis gehen meist dann in Behandlung, wenn sie vom Amtsarzt geschickt werden. Das macht als Maßnahme der Frühintervention Sinn.“ Der Anteil der Erstpatienten mit Cannabis als Leitdroge in ambulanter oder stationärer Betreuung stieg von 2010 bis 2013 an und sinkt seit 2017 wieder.
Stimulantien. Unter den Stimulantien, die in Österreich konsumiert werden, liegt Kokain – inklusive Crack – mit Abstand an erster Stelle, gefolgt von Amphetamin, Methamphetamin und Ecstasy. Auch bei den Anzeigen in Zusammenhang mit Stimulantien nimmt Kokain unangefochten den ersten Platz ein. Die Anzeigenzahlen bei Kokain steigen seit 2016, mit einem kurzfristigen Rückgang im Corona-Jahr 2021, stark an. Busch führt den Boom bei Kokain auf die leichtere Verfügbarkeit und den gesunkenen Preis zurück: „Der europäische Markt wird mit Kokain überschwemmt, dadurch ist es billiger geworden. Die Reinheit hat sich mehr als verdoppelt.“
In der Partyszene wird nach einer kurzen Phase des erhöhten Konsums von Neuen Psychoaktiven Substanzen (NPS) um das Jahr 2010 wieder verstärkt auf Amphetamin und Ecstasy zurückgegriffen, aktuell auch immer mehr auf Kokain. Daten von checkit! zeigen, dass nach wie vor hochdosierte Ecstasy-Tabletten auf dem Markt sind. Bei sieben Prozent der insgesamt 451 analysierten Ecstasy-Tabletten musste aufgrund eines Wirkstoffgehalts von über 200 mg MDMA eine Warnung ausgesprochen werden. Ecstasy spielt auch bei den drogenbezogenen Todesfällen eine größere Rolle als früher. Für die Autoren des Berichts zur Drogensituation 2024 liegt der Schluss nahe, dass der Konsum von Ecstasy aufgrund des oft unerwartet hohen Wirkstoffgehalts gefährlicher geworden ist.
Opioide. Bei den in Österreich sichergestellten Opioiden handelt es sich in erster Linie um Heroin und suchtgifthaltige Medikamente, darunter auf dem Schwarzmarkt verkaufte Substitutionsmittel. 2023 erfolgten 2.168 Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz wegen Heroins und anderer Opiate und 1.434 Anzeigen wegen suchtgifthaltiger Medikamente.
Die Schätzungen für die Jahre 2022 und 2023 ergeben eine Prävalenzrate von 36.000 bis 39.000 Personen mit risikoreichem Konsum von Opioiden, meist in Kombination mit anderen illegalen Drogen, Alkohol oder Psychopharmaka. Opioide werden am häufigsten geschnupft; die Anzahl der Personen, die vorwiegend intravenös konsumieren, wird auf 10.800 bis 13.700 geschätzt. Etwas mehr als drei Viertel der Personen mit risikoreichem Opioidkonsum sind Männer, etwa 40 Prozent leben in Wien.
Zwischen 2000 und 2004 verdoppelte sich die Anzahl der Opioidkonsumenten in der jüngsten Altersgruppe von 15 bis 25 Jahren. Von 2005 bis 2018 ging die Zahl der jungen Neueinsteiger zurück, seither stagniert sie. Derzeit sind etwa acht Prozent der Betroffenen unter 25 Jahre alt. Durch Opioidagonistentherapie, also die Verschreibung von Substitutionsmitteln, hat sich die Überlebensrate der Konsumenten erhöht. Das wirkt sich auch auf die Prävalenz aus, so Busch: „Es kommen wenige Konsumenten dazu, wenige steigen aus, wenige versterben. Die Inzidenz steigt kontinuierlich an, weil Heilung oder Tod selten sind.“
Drogentote. Betrachtet man die durch illegale Drogen verursachten Todesfälle, liegen Opioide an der Spitze. Bei den Verstorbenen kann in der Regel ein Mischkonsum mit anderen illegalen und legalen Drogen nachgewiesen werden. Laut dem Epidemiologiebericht Sucht 2024 zeigte sich von 2011 bis 2014 ein Rückgang der direkt drogenbezogenen Todesfälle. Seither ist wieder ein Anstieg zu verzeichnen, der in den Jahren 2017 und 2020 nur kurz unterbrochen wurde.
Für 2023 geht der Epidemiologiebericht 2024 österreichweit von 256 direkt drogenbezogenen Todesfällen aus. Auf Basis von Obduktionsbefunden wurden 205 tödliche Überdosierungen verifiziert. Weitere 51 – allerdings nicht obduzierte – Todesfälle sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Suchtgiftüberdosierung zurückzuführen, da auf dem Totenbeschauschein eine eindeutige Todesursache wie z. B. „Suchtgiftintoxikation“ vermerkt ist. Tödliche Überdosierungen betreffen mit 72 Prozent hauptsächlich Männer; die Verstorbenen wurden im Schnitt 34 Jahre alt.
Junge. In den letzten Jahren zeigt sich ein Anstieg bei den jüngeren Verstorbenen, dessen Gründe sich aus der Statistik der drogenbezogenen Todesfälle nicht ableiten lassen. Die Autoren des Epidemiologieberichts 2024 nennen als mögliche Ursachen hochriskante Konsumformen, einen vermehrten Konsum oder eine Kombination beider Aspekte. Auch ein gestiegener Reinheitsgrad kann eine Rolle spielen. Auffällig ist der hohe Frauenanteil: Derzeit sind 37 Prozent der verstorbenen Frauen, aber „nur“ 20 Prozent der verstorbenen Männer jünger als 25 Jahre.
Da jüngere Suchtkranke mit risikoreichem Konsum meist noch keinen Kontakt zu Einrichtungen für Suchtkranke gehabt haben, ist über diese Gruppe wenig bekannt. Man müsse sich daher auf Berichte aus der Praxis verlassen, so Busch. In diesen ist oft von sehr risikoreichen, „chaotischen“ Konsummustern, insbesondere bei Mädchen, die Rede.
Vermutet wird ein Zusammenhang des Drogenkonsums mit psychischen Belastungen, die während der Corona-Pandemie aufgetreten und durch darauffolgende Krisen wie die fortschreitende Klimaerwärmung oder den Krieg in der Ukraine verstärkt worden sind. Zur Bewältigung dieser als bedrohlich empfundenen Situationen verwenden junge Menschen, vor allem Mädchen, Suchtmittel zur Selbstmedikation. „Die psychosozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie haben speziell bei Risikogruppen zu einer Verschlechterung ihrer Lebenssituation geführt“, erklärt Busch. Prävention und Hilfsangebote sollten daher insbesondere bei diesen Gruppen ansetzen.
Quellen: Bericht zur Drogensituation 2024. Ergebnisbericht im Auftrag der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, Lissabon, und des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (Oktober 2024)
Epidemiologiebericht Sucht 2024. Illegale Drogen, Alkohol und Tabak. Wissenschaftlicher Bericht im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (Dezember 2024)
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