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Herbert Windwarder

Quo vadis, Österreich?

Die Schlacht der Schlachten ist geschlagen, jetzt ist bei fast allen Parteien Wunden lecken und Fehlermanagement angesagt. Aber auch der siegreiche Herbert Kickl weiß noch nicht, ob sein Erfolg mit Kanzlerwürden gekrönt sein wird.



Wenn ich diese Zeilen mit der Adlerfeder auf den feinen Papyrus zeichne (ihr Verdacht ist richtig, bei uns in der Redaktion fließen Milch und Honig!), ist die Tinte auf dem endgültigen Wahlergebnis gerade getrocknet. Es gab im letzten Moment noch kleine Mandatsverschiebungen durch die Wahlkarten. Will sagen, der Redak­tionsschluss ist unbarmherzig, und Sie haben meinen Chefredakteur noch nie ungeduldig gesehen. Und das wollen Sie auch nicht, fragen Sie meinen Therapeuten!

Es könnte also sein, dass bei Erscheinen dieses Hefts bereits eine Regierung in den Startlöchern steht und alle Spekulationen Schall und Rauch sind. In Kenntnis der schwierigen Ausgangslage und der beteiligten Probanden wäre das aber fast ein Wunder, deshalb lasst uns frohen Mutes Kaffeesudlesen!

 

Lieber Dschungelcamp? Die große Frage derzeit ist, ob der ehemals grüne Bundespräsident Herbert Kickl mit einer Regierungsbildung beauftragen wird. Man kann sich unschwer vorstellen, dass er persönlich lieber für eine Woche die Hofburg gegen das RTL-Dschungelcamp tauschen würde, aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Nun, rechte Wahlerfolge sind quer durch Europa zu beobachten. Die Themen Migration, Integration und alle daraus resultierenden Herausforderungen bestimmen in vielen Ländern den politischen Diskurs. Die Polizei ist dabei eine jener Institutionen, die unmittelbar durch die politischen Entscheidungen zu dieser Thematik betroffen ist. Grenzkontrolle, Fremdenpolizei, die Entwicklung von Kriminalitätsphänomenen, die Gefährdungslage im täglichen Einsatz, die Organisierte Kriminalität oder Reibereien im täglichen Zusammenleben von Kulturen, all das bestimmt den Dienstalltag.

 

Politischer Wille. Deshalb gibt es  unter den Ordnungshütern ein erhöhtes Interesse daran, wer es schlussendlich in die Regierung schaffen wird. Und wie man die anstehenden Probleme lösen will. Wenn der politische Wille da ist, kann man vieles lösen. In Deutschland hieß es seit vielen Jahren, dass Kontrollen an der Grenze a) nichts bringen würden und b) personell gar nicht möglich sind. Vor wenigen Wochen änderte Ministerin Nancy Faeser  (SPD) ihre Strategie, der zeitliche Zusammenhang mit zwei AfD-Wahlerfolgen war sicher nur Zufall. Was mit den so entdeckten illegalen Einwanderern passieren soll, sorgte für leichte Misstöne mit ihrem österreichischen Amtskollegen Karner, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Geh Du voran! Zurück zur – schwierigen – Regierungsbildung. Beobachter sehen gewisse Parallelen zur Situation vor genau 25 Jahren. Im Moment mag niemand mit Herbert Kickl koalieren, eine Koalition zwischen ÖVP und SPÖ wäre mit ar...knapper Mehrheit möglich. Damals hieß der Wahlsieger Viktor Klima, die Regierung bildeten aber der Zweite und Dritte, sprich FPÖ und ÖVP. Der Präsident Thomas Klestil lehnte den FPÖ-Chef Jörg Haider ab, dieser sagte zu seiner Vertrauten Riess-Passer: „Susanne, geh Du voran!“. Ob man von Herbert Kickl vielleicht einen ähnlichen Satz hören wird, traut sich im Moment nicht einmal Peter Filzmaier vorauszusagen, Übrigens, das Gerücht, dass einige Filzmaier-Klone im Keller des ORF-Zentrums gefangen gehalten werden, konnte nicht bestätigt werden.

 

Attraktiver werden. Wie gesagt, für Österreichs Polizisten ist die Bildung der Regierung doppelt spannend, da wir nicht nur wie jeder Bürger die Auswirkungen der zukünftigen Wirtschafts-, Sozial-, Steuer- und Bildungspolitik zu spüren bekommen, der nächs­te Innenminister wird nicht unwesentlich unseren Arbeitsalltag mitbestimmen. Wird Wien endlich mehr Personal bekommen? Eine große Herausforderung wird das Nachwuchs­prob­lem sein. Wenn man bei den Eignungstests nicht weiter die Latte senken will, gibt es nur eine Lösung, die auch viele Unternehmen einschlagen: Man muss als Arbeitgeber attraktiver werden! Da nicht anzunehmen ist, dass unser Klientel zukünftig die Messer gegen Wattebäuschchen tauschen und Hobbyfilmer auf einen Fehler der amtshandelnden Beamten warten, Demos und Matches vorzugsweise an Wochenenden stattfinden, somit die Arbeit an sich nicht leichter werden wird, kann man nur an anderen Schrauben drehen.

 

Vorbild Feuerwehr. Es ist kein großes Geheimnis, was einen Beruf attraktiv macht, oder eben nicht: Ein angemessenes Gehalt, flexible Zeitplanung, Rückhalt bei Problemen, Karriereaussichten, Weiterbildungsmöglichkeiten, gutes Betriebsklima, Home-Office. Wie schwer der Job ist, spielt dabei kaum eine Rolle, siehe die Wiener Berufs­feuerwehr. Der Arbeitsmarkt hat sich gewandelt, die Jugend ist mobil und kündigt auch die sichere Staatsanstellung, wenn gute Perspektiven fehlen. Die Polizei könnte per se ein attraktiver Arbeitgeber sein, abwechslungsreich,  sichere Bezahlung, verschiedene Karrieremöglichkeiten. Das ist ein Grundstock, auf dem man aufbauen kann und muss. Wir werden sehen, wie beamtenfreundlich und flexibel die nächste Regierung gestrickt ist.

 

Führungskompetenz. Die Möglichkeiten, den Polizeiberuf attraktiver zu gestalten, sind zahlreich. Und manche kosten nicht einmal extra Steuergeld, zum Beispiel eine Leitung, die sich im Rahmen der Möglichkeiten um ein gutes Arbeitsklima kümmert. Kollegen, die sich wertgeschätzt fühlen, deren Anliegen ernst genommen werden und mit denen auf Augenhöhe kommuniziert wird, werden auch eine hohe Arbeitsbelastung gut meistern. Jeder Polizist kann aus dem Stegreif Beispiele für fähige und weniger fähige Vorgesetzte nennen, da gibt es meis­tens eine übereinstimmende Beurteilung. Nun, Fremd- und Selbstwahrnehmung können da weit auseinander liegen, das ist menschlich. Vielleicht ein kleiner Tipp für Chefs, die sich nicht sicher sind: Überwiegen die Interessenten an oder die Flüchtenden von meiner Dienststelle? Wenn sich verdiente Beamte plötzlich für die Arbeit als Torposten anstatt in einer Sonderabteilung interessieren, könnte das auch ein Hinweis sein.

 

Award 2024. Apropos Motivation: Am 18. Oktober durften wir im Wiener Rathaus wieder den Award „Kriminalist des Jahres“ vergeben. Nochmals herzliche Gratulation an die siegreichen Teams aus Vöcklabruck, Nieder­österreich und Salzburg. Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, um den Mitbewerbern unseren höchsten Respekt auszudrücken! Unsere Jury hat die schöne und schwierige Aufgabe, die eingelangten Fälle zu bewerten. Und ich kann nur sagen, es geht einem das Kibererherz auf, wenn man sieht wie ambitioniert und beharrlich in ganz Österreich gearbeitet wird! Jeder der vorgeschlagenen Fälle war speziell und ehrungswürdig, und es ist immer wieder schade, dass wir daraus nur drei Teams vor den Vorhang holen können! Ihr alle seid der Grund, warum Österreich immer noch eines der sichersten Länder ist! Bitte kämpft weiter und schickt uns auch kommendes Jahr wieder tolle Vorschläge.

 

Lahmendes Pony. Zurück zur nächs­ten Regierung: Durch die fehlende Überwachung der Kommunikation sind die Kriminalisten bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und radikaler Gefährder gefährlich ins Hintertreffen geraten. Man kann nur hoffen, dass die künftige Überwachung der Messengerdienste nicht aus falsch verstandenem Datenschutz an zu hohe Hürden geknüpft wird, dann wäre der Nutzen für den kriminalpolizeilichen Alltag überschaubar. Jede elektronische Überwachungsmaßnahme muss sowieso von einem unabhängigen Richter genehmigt werden und der Rechtsschutzbeauftragte wird involviert. Der Wahlsieger Herbert K. hatte sich im Wahlkampf gegen eine Datenüberwachung ausgesprochen. Vermutlich gibt es dazu eine Umfrage, die ihm ein paar Stimmen mehr prophezeit hat. Zu seinem Anspruch als Law and Order Partei und für die Überwachung radikaler Islamis­ten passt diese Haltung wie ein lahmendes Pony für die Berittene. Um bei einem verständlichen Vergleich zu bleiben.

 

Kommt flach! Die nächsten Wochen werden also spannend bleiben. Spannender auf jeden Fall als der Wahlkampf. Offenbar haben alle beteiligten PR-Agenturen zur Wohlfühlkampagne, ohne den Wähler mit zu vielen Inhalten zu verwirren, geraten. Ich habe ein paar der belanglosesten Sujets gesammelt, raten Sie mit, von welcher Partei die jeweilige Banalität stammt! Wer alle Antworten richtig hat, wird zu einem Tag bei uns im Redaktionswhirlpool mit Champagner und Kaviarhäppchen eingeladen. Viel Glück!

„Bereit für Verantwortung!“ „Mit Herz und Hirn für dich.“ „Wähl Vernunft & Zuversicht.“ „5 gute Jahre.“ „Stabilität für Österreich.“

 

 





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